Der weltgrößte Medienkonzern, AOL Time Warner, hat am gestrigen Donnerstagabend Zeitungsberichte zurückweisen müssen, wonach auch dieser Konzern Umsätze aufgebläht haben soll. Am späten Abend ist der Chief Operating Officer (COO) des weltgrößten Medienkonzerns AOL Time Warner, Robert Pittman, von seinem Amt zurückgetreten.

Aufgerutscht

Ferner gab AOL Time Warner nach US-Börsenschluss bekannt, die jeweiligen Chefs der Tochterunternehmen HBO, Jeff Bewkes, und Time Inc, Don Logan, seien zu Stellvertretern von Konzernchef Richard Parson ernannt worden.

Vorgeschichte

Pittman war erst im April zum COO berufen worden, um die Online-Tochter des Konzerns wieder in Schwung zu bringen. In Kreisen war eine Neuordnung des Vorstands erwartet worden, da Parson versuche, das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen.

Einfluss

Branchenkennern zufolge geben die personellen Veränderungen nun den Managern von Time Warner einen größeren Einfluss im Konzern. Im Jänner 2001 war die rund 106 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Time Warner durch AOL abgeschlossen worden.

Erwartet

Analysten zeigten sich wenig überrascht von Pittmans Rücktritt und bewerteten ihn überwiegend als positiv. "Manchmal ist der Abschied eines Managers wie eine Therapie für ein Unternehmen", sagte Jordan Rohan von SoundView Technology. "So sehr Bob Pittman auch angesehen ist, könnte sein Abschied für die anderen Geschäftsbereiche eine Wiederbelebung bedeuten."

Personalfragen

Logan und Bewkes werden direkt Konzernchef Parsons unterstellt. Beide Männer gehören wie Parsons zur alten Time-Warner-Elite. Pitmann war hingegen von America Online gekommen als sich der Onlineriese und der größte amerikanische Medienkonzern in der gigantischen Medienfusion zusammengeschlossen hatten.

Holprig

Die Fusion ist bisher nicht sonderlich gut gelaufen. Die Aktien von AOL Time Warner befinden sich im Keller, und die Aktionäre drängen auf Änderungen. Der weltgrößte Online-Dienst AOL tut sich besonders schwer, da er unter zunehmender Konkurrenz anderer Breitbandanbieter, einem schwachen Anzeigengeschäft und langsameren Kundenzuwachs leidet.

Nachfolgerin

Ann Moore, die frühere geschäftsführende Vizepräsidentin der Time Inc., wird Logan-Nachfolgerin und Firmenchefin sowie Verwaltungsratsvorsitzende der Time Inc. Chris Albrecht, der frühere Präsident der HBO Original Programming wird als Bewkes-Nachfolger HBO leiten.

Dementi

In den frühen gestrigen Abendstunden hat der Medienkonzern AOL Time Warner einen Bericht der "Washington Post" über Erhöhung der Umsatzzahlen 2000 bis 2002 durch angeblich unkonventionelle Geschäfte als fehlerhaft und irreführend bezeichnet. Die von der Zeitung untersuchten Geschäfte seien "wirklich mikroskopisch" – sie beträfen weniger als zwei Prozent des Gesamtumsatzes des Konzerns. AOL Time Warner hatte 2001 einen Umsatz von 38 Milliarden Dollar verzeichnet.

Vorgeschichte

Die "Washington Post" hatte berichtet, die Prüfung von vertraulichen AOL-Dokumenten und Gespräche mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern des Konzerns hätten gezeigt, dass es bei AOL, die im Jahr 2000 Time Warner für 106,2 Milliarden Dollar gekauft hatte, unkonventionelle Geschäftspraktiken gegeben habe.

Details

Dazu gehörten dem Zeitungsbericht zufolge unter anderem die Verschiebung von Einnahmen aus einem Bereich in einen anderen Bereich und die Abbuchung der für das Online-Auktionshaus getätigten Werbegeschäfte als eigene Einnahmen. Nach dem zusammen mit dem Bericht veröffentlichten Diagramm handelt es sich um Geschäfte über 270,1 Millionen Dollar.

Geprüft

AOL-Sprecher John Buckley sagte, der unabhängige Prüfer Ernst & Young habe bestätigt, dass die Bilanzen und Berichte über alle Transaktionen im Einklang mit den Bilanzierungsregeln (GAAP) stünden. (APA)