Frankfurt - Volkswirte schätzen Stimmungsindizes - wie die monatliche Umfrage der Uni Michigan - als guten Hinweis auf die Spendierfreudigkeit der Verbraucher und damit auf das Schicksal der Wirtschaft insgesamt. Somit lassen einmal im Monat 250 amerikanische "Otto Normalverbraucher" die internationalen Finanzmärkte nach ihrer Pfeife tanzen. Ist ihnen gerade nicht zum "Shoppen" zumute, können sie damit die Aktienkurse weltweit auf Talfahrt schicken. Immerhin machen die Ausgaben der Bürger in den USA gut zwei Drittel und in Deutschland rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Da sich die Menschen in reichen Ländern erlauben können, viele Einkäufe von ihrer Stimmung abhängig zu machen, spielt dabei die Psychologie oft eine größere Rolle als harte Fakten. "Gut gelaunte Konsumenten kaufen mehr" "Gut gelaunte Konsumenten kaufen mehr", bringt Michael Jäckel, Soziologie-Professor der Uni Trier, den Einfluss der Kauflaune auf den Punkt. Wie viel die Menschen verdienen, ist dabei natürlich wichtig, aber nicht allein entscheidend. "Wenn die Stimmung schlecht ist, werden Käufe aufgeschoben, auch wenn es von der Sachlage her unberechtigt ist", sagt Ifo-Volkswirt Gernot Nerb. Wie andere Wirtschaftsforscher setzt Nerb darauf, dass die in diesem Jahr so kaufunlustigen deutschen Verbraucher bald ihre Geldbeutel öffnen und damit das Wachstum ankurbeln. Dazu müssten die Bürger aber wieder das Gefühl bekommen, dass die Konjunktur an Fahrt gewinnt und sie davon tatsächlich profitieren. Schließlich hängt die Kaufbereitschaft vom derzeitigen und erwarteten zukünftigen Einkommen, der Sicherheit der Arbeitsplätze und der Preisentwicklung ab. Dabei bewerten die Verbraucher die Lage eher gefühlsmäßig als auf Basis harter Fakten. "Der Normalverbraucher ist kein Konjunkturexperte", sagt Nerb. Hinter dem Michigan-Index steckt daher die Idee, dass im Gegensatz zur klassischen Wirtschaftslehre psychologische Faktoren wie Gewohnheiten und das soziale Umfeld die Kaufentscheidungen bestimmen. "Teuro"-Debatte Geradezu ein Lehrbuchbeispiel für den Einfluss der Psychologie erlebte Deutschland mit der hitzigen "Teuro"-Debatte. Zunächst sei jeder Einzelne wohl unsicher gewesen, ob der Euro zu höheren Preisen geführt habe, sagt Jäckel. Durch die öffentliche Diskussion hätten sich dann viele bestätigt gefühlt, und ihre Überzeugung, das alles teurer wurde, habe sich festgesetzt. "Das ist Psychologie und lässt sich mit Mathematik nicht erklären." Rationale Argumente verhallen dann ungehört. So hätten viele Bürger den Verweis auf die niedrige amtliche Inflation wohl eher als Versuch der Manipulation empfunden, sagt Jäckel. "Generell wirken negative Nachrichten stärker, positiven wird eher misstraut." Die Bürger hielten also ihre Geldbeutel verschlossen und bescherten Handel und Gastronomie kräftige Umsatzeinbußen. Die Wut und Verunsicherung der deutschen Verbraucher zeigen auch die Umfrage-Ergebnisse der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Der Indikator für die Bereitschaft der Menschen, Produkte wie Kühlschränke oder Fernseher zu kaufen, sackte seit der Euro-Bargeldeinführung auf den tiefsten Stand seit Umfragebeginn 1980. Aus den Daten berechnet die GfK im Auftrag der EU-Kommission das deutsche Konsumklima und schätzt so den zukünftigen privaten Verbrauch. Indizes geben ersten Hinweis auf Ausgaben Während die Stimmung der deutschen Verbraucher oft erst dann in die Aktienkurse einfließt, wenn sie sich in verhagelten Unternehmensbilanzen niedergeschlagen hat, reagieren die Märkte auf den Index aus Michigan oder den des Forschungsinstituts Conference Board direkt. Die Finanzmarktjongleure schätzen dabei besonders, dass die Indizes einen ersten Hinweis auf die Ausgaben der US-Bürger geben. "Mit den Stimmungsindikatoren preist der Markt Erwartungen ein", erklärt Peggy Radecker, Analystin der Bankgesellschaft Berlin. Experten bestätigen zwar, dass die Indikatoren den Trend des Verbrauchs schon im Voraus andeuten, warnen aber, die Werte als genaue Prognose zu sehen. "Die Finanzmärkte neigen dazu, in jede Zahl zu viel hineinzulegen", sagt Conrad Mattern, Volkswirt und Autor eines Buches über Wirtschaftsindikatoren. Wichtig sei, die Komponenten der Indizes genau zu studieren. So überwiegen im Michigan-Index die Fragen zur finanziellen Situation der Verbraucher, die in den USA traditionell stark von der Aktienkursentwicklung abhängt. Beim Conference Board spielt dagegen der Arbeitsmarkt eine größere Rolle. Bei beiden Umfragen zielen zwei der fünf Fragen auf die gegenwärtige Lage, drei auf die Zukunftseinschätzung. Schließlich empfiehlt Mattern einen Blick auf die Teilnehmerzahl der Umfragen. Dem Conference Board antworten im Schnitt rund 3500 Verbraucher. Die Uni Michigan befragt gerade mal 500 Bürger, und der vorläufige Index schüttelt nach bereits gut 250 Telefoninterviews die Finanzmärkte durch.(APA/Reuters)