Wien - Das Tauziehen um eine rasche Senkung der Lohnnebenkosten geht weiter. Sämtliche Präsidenten der Wirtschaftskammern und der Industriellenvereinigung - auch aus den Bundesländern - fordern die Regierung in einem offenen Brief auf, "die im Regierungsübereinkommen festgelegte und versprochene" Senkung der Lohnnebenkosten so rasch wie möglich für das Jahr 2003 zu beschließen und nicht in Etappenlösungen auf die lange Bank zu schieben. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein (V) hat zuletzt mehrfach betont, die weitere Senkung der Lohnnebenkosten werde nur in zwei Etappen möglich sein. In einem ersten Schritt sollen 2003 die Beiträge zum Insolvenzfonds und zur Unfallversicherung um je 0,2 Prozent gesenkt werden, in einem zweiten Schritt 2004 die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 1 Prozent (je 0,5 Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Rund 200 Mill. Euro wurden bereits 2001 realisiert. Möglicher Kompromiss Ein möglicher Kompromiss, der sich im Hintergrund abzeichnet, wäre, die gesamte Lohnnebenkostensenkung gesetzlich noch in diesem Jahr zu beschließen, aber die Arbeitslosenversicherungsbeiträge - zum Teil - erst im übernächsten Jahr zu reduzieren. "Die Hälfte der noch ausstehenden 900 Mill. Euro muss jedenfalls 2003 kommen", so ein Vertreter der Wirtschaft. Die in Österreich zu hohen Lohnnebenkosten würden die offizielle Beschäftigung behindern und seien eine der Hauptursachen für die seit Jahren überproportional zunehmende Schwarzarbeit, betonen die WK- und IV-Präsidenten von Christoph Leitl und Peter Mitterbauer abwärts. Neueinstellungen in Unternehmen würden dadurch gehemmt. Wettbewerbsfähigkeit behindert Zudem würden die hohen Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit des Arbeits- und Wirtschaftsstandortes Österreich im europäischen Binnenmarkt behindern, wird in dem heute, Freitag, publizierten offenen Brief an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V), Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (F) und die übrigen Regierungsmitglieder kritisiert. Die in 17 Monaten bevorstehende EU-Erweiterung erfordere zwingend eine Entlastung des Standortes Österreich. Weitere Entlastungen erwartet sich die Wirtschaft aus "ihrem Teil" aus der Steuerreform, wo vor allem eine Senkung der Besteuerung nicht entnommener Gewinne gefordert wird. ÖVP-Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf bringt die Gesamtvorstellungen der Wirtschaft auf den Punkt: "Wir brauchen rund 2 Mrd. Entlastung für die Unternehmen und die Hälfte davon im kommenden Jahr", sagte er am Donnerstagabend vor Journalisten. Handlungsbedarf bei Unternehmensbesteuerung Handlungsbedarf bei der Unternehmensbesteuerung betont Wirtschaftsminister Bartenstein in seinem Beitrag zu einem dabei präsentierten Buch "Unternehmerisches Österreich" (Karlheinz Kopf, Gerhard Hammerer, Hrsg.), das in der Schriftenreihe des Wirtschaftsbundes erscheint. Über den genauen Zeitplan für eine Senkung der Körperschaftssteuer und der Lohnnebenkosten äußert sich Bartenstein darin jedoch nicht. Auch Wifo-Experte Gerhard Lehner betont in seinem Buchkapitel Probleme der österreichischen Steuerstruktur, in erster Linie die im EU-Vergleich hohe Besteuerung des Faktors Arbeit. Die Quote der lohnsummenabhängigen Abgaben betrage in Österreich 2,8 Prozent gegenüber einem EU-Durchschnitt von 0,5 Prozent. Die Lohnnebenkostensenkung um weitere 900 Mill. Euro würde laut Lehner den Abstand zum EU-Schnitt um etwa ein Drittel reduzieren.(APA)