Bei 34 Millionen war für Londoner Altmeisterhändler Johnny van Haeften die Luft draussen, die beiden Händler Bader und Noortman waren noch bis 36 dabei, das unermesslich reiche Getty-Museum bis zu 41, der Hammer fiel bei 45 Millionen Pfund und die Sensation war perfekt. Kein Medium, das die Meldung vom Rekordergebnis für Das Massaker der Unschuldigen von Rubens nicht brachte. Sotheby's schrieb Auktionsgeschichte. Das 1,4 x 1,8m große Drama überrundet damit den bisherigen Spitzenreiter der alten Garde (Rembrandts Porträt einer 62jährigen) um gut das Doppelte.

In Pfund und Euro gerechnet hat sich Rubens an die Spitze der Bestenliste gesetzt, in Dollar Platz drei eingenommen. Van Gogh und mit ihm die "Kalenderkunst" - wie Impressionisten und Klassische Moderne von Altmeister-Liebhabern bezeichnet werden - sind entthront. Der bisherige Rekord für den flämischen Malerfürsten ist keine zwei Jahre jung: 1998 wechselte das Porträt eines Mannes als Mars bei Sotheby's für umgerechnet 8,2 Millionen Euro den Besitzer. Ironischer Weise stand genau dieses Bild vergangener Woche ebenfalls im Angebot: ein 6,1 Millionen Euro "billiges" Trostpflaster für Jonny van Haeften und eine Lektion darin, dass Bilder einfach nicht zu früh wieder auf den Markt sollten.

Für etwa 5,5 Millionen Euro sicherte sich die Londoner National Gallery bei Christie's schon 1980 das Gegenstück zum aktuellen Rekordhalter. Der Unterschied: Die Rubens-Zuschreibung von Samson und Delilah erfolgte bereits 1920, die Wandlung vom Rubens-Schüler Jan van den Hoecke zum Meister schaffte der Kindesmord von Betlehem erst mit der Begutachtung durch die Sotheby's Experten, die zur Entzifferung des Liechtensteinstempels aus dem Jahre 1733 einen Siegelfachmann benötigten. Darauf wäre man auch in Wien gekommen, nur dass eine 89-jährige Dame jetzt um 70 Millionen Euro ärmer wäre. "Das ist ja unser Fluch", rauft sich Altmeisterexperte Peter Wolf die Haare. Natürlich hätte man im Dorotheum die Rubens-Autorenschaft festgestellt, zeitgleich dem Bundesdenkmalamt das Bild aber auf dem Präsentierteller gereicht. "Die Sperre wäre uns sicher gewesen", ist Wolf überzeugt, "und das Spitzenwerk hätte maximal 800.000 Euro gebracht."

Diesem Risiko setzt sich kein Einlieferer aus. Verständlich. Hier zu Lande werden von Rubens Ölskizzen und Studien versteigert (je 3,1 Mio öS 1993 für "Rio de la Plata und 1990 für Perseus befreit Andromeda) - keine Rekordbringer, denn die bleiben New York oder London vorbehalten. Die Branche gibt sich selten einig und beurteilt die gegenwärtigen Kontrollen des beweglichen Kulturgutes seitens des Bundesdenkmalamtes als völligen Anachronismus.

So lange sich der Trend zur Lockerung von Ausfuhrsperren nicht durchsetzt, muss sich Kontinentaleuropa mit der Rolle als Absatzmarkt für Preiswertes begnügen. Immerhin hat es das Dorotheum frei nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist" geschafft, seine Altmeister-Abteilung zur weltweit Drittgrößten auszubauen. (Olga Kronsteiner/DER STANDARD, Printausgabe vom 20./21.7.2002)