Zweifellos müssen sich Europas Sozialdemokraten rasch etwas einfallen lassen, um unter dem Ansturm der Rechtspopulisten in ihren traditionellen Wählerschichten nicht in der Defensive zu bleiben. SP-Chef Alfred Gusenbauer hat dazu eine Reihe bemerkenswerter Vorschläge präsentiert, die darauf hinauslaufen, einen europäischen Sozialstaat zu realisieren, der die Grundbedürfnisse seiner Bürger in Bildung, Gesundheit, Altersvorsorge - und politischer Mitsprache - mit zeitgemäßen Methoden sichert. Abkapselung nach außen und Rückzug auf "nationale Interessen", wie sie die Populisten propagieren, böten in Wahrheit keine Lösung, meint Gusenbauer.Dem ist entgegenzuhalten, dass es mehrheitlich Politiker links von der Mitte waren, die in der EU supranationale Deregulierungsprojekte (Strom, Transitverkehr) vorantrieben. EU-Regierungschefs, auch der Sozialdemokrat Lionel Jospin, sahen sich dann versucht, daheim die Helden zu spielen, die gegen die Forderungen aus "Brüssel" Widerstand leisten. Die Anti-EU-Parolen der Populisten waren dann nur noch eine im Sinne der Stimmenmaximierung logische Zuspitzung. Für die Ausländerfeindlichkeit, dem politischen Treibsatz für die Populisten Europas, tragen auch Sozialdemokraten Verantwortung. Wenn Gusenbauer die in Wien eingeführte "Allgemeine Wohnbeihilfe" lobt, die auch das Entstehen von Ausländer-Wohngettos verhindere, so ist daran zu erinnern, dass gerade in Wien die durch Zuwanderung entstehenden Probleme lange zu wenig beachtet und für die Öffentlichkeit kleingeredet wurden. Wenn das Umdenken in den Köpfen der europäischen Sozialdemokraten nicht schon längst stattgefunden hat, dann wäre die neue Strategie kaum mehr als der Versuch, eine bereits verlorene Schlacht nachträglich doch noch zu gewinnen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 20.7.2002)