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Der Fall Gaugg bedeutet: Privilegienwirtschaft und Postenschacher - umgesetzt von der FPÖ. Und zwar nicht im Stillen, wie man bei solchen Vorgängen annehmen dürfte, sondern betrieben mit enormem Getöse und Aufwand. Ganz nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Der freiheitliche Sozialsprecher Reinhart Gaugg gibt den Privilegienritter - wahrhaft ein Ritter von trauriger Gestalt. Er will so gerne, aber man lässt ihn nicht. Was er will, ist ein an sich unerhörter Vertrag, der ihm das Füllhorn an Privilegien und Begünstigungen öffnen würde - in der öffentlichen Versicherungslandschaft an sich aber nichts Ungewöhnliches. Es bedienen sich rote und schwarze Funktionäre, jetzt will eben auch ein Abgesandter der Blauen ordentlich zulangen. Eine Selbstverständlichkeit Ein Freiheitlicher, noch dazu der Sozialsprecher, demonstriert ganz offen und mit aller Selbstverständlichkeit, wie sich die Partei gewandelt hat: Von der Anti-PrivilegienPartei hin zu einem Apparat, dessen Funktionäre sich gierig selbst bedienen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Kaum an der Macht, greift man zu, macht es den geschmähten "Altparteien" gleich. Das ist nicht ganz neu, das geschieht längst schon in den blau besetzten Ministerien. Die Unverfrorenheit, mit der Gaugg nun um seinen Teil des Kuchens kämpft, zeigt aber eine neue Qualität. Sekundiert wird Gaugg dabei von höchster Parteiprominenz: Peter Westenthaler und Herbert Haupt, sogar Jörg Haider, der früher den Inhalt des Gauggschen Sondervertrages als Taferl empört in die Kamera gehalten hätte, spricht von einer "wirklichen Sauerei". Eine Sauerei nämlich, dass Gaugg seine Sonderprivilegien - von einem satten Gehalt (14-mal 9900 Euro) über die praktische Unkündbarkeit bis hin zur Umgehung der vorgeschriebenen Dienstprüfung - nicht durchbekommt. "Schmatzgeräusche" Die Causa Gaugg ist die Version der Amateure, die gleich zu den Trögen stürzen, wie der grüne Abgeordnete Peter Pilz bei einer Debatte im Parlament bemerkte: "Und dann hört man eine Weile nur Schmatzgeräusche." Gaugg will mitspielen in der Liga der Profis, dort sitzt aber ein Bosnigl, der sich trotz vorheriger Absprache - die FPÖ hätte das früher als "Packelei" bezeichnet - nicht an die Abmachung hält und dem Sondervertrag seine Stimme verweigert. Die Schadenfreude ist umso größer, da sich Gaugg selbst als Vertreter des kleinen Mannes aufgespielt und in der Vergangenheit die Privilegien in der Sozialversicherung (mit Taferl, wie sein Vorbild) angeprangert hat. Anstatt Gaugg aus dieser blamablen Affäre zurückzuziehen, geht die FPÖ in die Offensive und eröffnet die Jagd auf den "Verräter". Ein Wendepunkt Für die Freiheitlichen markiert die Affäre Gaugg einen Wendepunkt. Die Debatte um ihren Sozialsprecher wird sich auch in der Wählergunst niederschlagen. Vor allem junge Leute wandten sich der FPÖ aus dem einen Grund zu, weil sie gegen das Establishment auftrat, Privilegien und Proporz bekämpfte, Freunderlwirtschaft und Packelei anprangerte, Abkassierer und Bonzen vorführte. Jetzt hat die FPÖ selbst geduldete Abkassierer in ihren Reihen sitzen, versorgt Günstlinge mit Privilegien, übt sich in Freunderlwirtschaft und packelt mit der ÖVP, wenn es darum geht, Posten zu besetzen und die eigenen Leute in staatlichen oder staatsnahen Unternehmen unterzubringen. Drastisch formuliert: Die Vorgänge rund um Gaugg bringen Haiders Lebenswerk in Gefahr. Der Kampf gegen Privilegienwirtschaft, einst Lebensnerv der FPÖ, ist kein Grund mehr, diese Partei zu wählen. Das wird Stimmen kosten. Auch wenn die FPÖ nicht ablassen wird, vermeintliche oder tatsächliche Missstände anzuprangern. Um angestammte oder neue Wähler anzusprechen, wird sie aber auf andere Themen setzen müssen, glaubwürdig ist der freiheitliche Feldzug gegen "die da oben, die es sich richten", nicht mehr. Die FPÖ ist selbst Teil des Establishments geworden, das wurde mit dem Fall Gaugg in aller Deutlichkeit - und Öffentlichkeit - demonstriert. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 20.7.2002)