Der Name ist Programm. "Yeni Türkiye", Neue Türkei, heißt die Partei, die am Montag gegründet wurde, um ihren zukünftigen Wählern vor allem eins zu versprechen: das Land endlich im Westen zu verankern. Exaußenminister Ismail Cem, der erwartungsgemäß zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, sagte in seiner Antrittsrede: "Wir wollen eine Erneuerung in allen Lebensbereichen. Die Türkei ist ein großes Land und wir müssen uns von den Ängsten der Vergangenheit befreien." Cem spielte damit vor allem auf die Ängste vor kurdischem Separatismus oder einer drohenden Islamisierung an. Beides sind die Hauptargumente der Rechten und von Teilen des Militärs gegen die von der EU geforderten Reformen. Cem, der in den letzten fünf Jahren als Außenminister bereits für den Pro-EU-Kurs der Türkei stand, ist als Parteivorsitzender eine glaubwürdige Besetzung. Er gehört zweifellos zu den führenden Reformern innerhalb des politischen Establishments und ist fest davon überzeugt, dass die Zukunft des Landes in Europa liegt. Mit ihm gehören 61 ehemalige DSP-Abgeordnete zu den Gründungsmitgliedern der Partei, die nun die neue Fraktion der "Yeni Türkiye" im Parlament bilden. Unter ihnen ist der frühere stellvertretende Ministerpräsident Hüsamettin Özkan, dessen Rauswurf durch Premier Bülent Ecevit den Exodus aus der DSP ausgelöst hatte. Özkan soll später zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt werden, gemeinsam mit dem noch amtierenden Wirtschaftsminister Kemal Dervi¸s. Cem will alles unternehmen, um die Reformen in der Türkei so weit voranzutreiben, "dass das die EU uns im Dezember einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen anbietet". Eine erste Gelegenheit dazu ließen Cem und seine neue Partei allerdings am Montag schon verstreichen. Zwei der drei Oppositionsparteien hatten eine Sondersitzung des Parlaments durchgesetzt, um über einen Termin für vorgezogene Neuwahlen abzustimmen und die Debatte über die EU-Reformen im Parlament aufzunehmen. Doch die Sitzung war bereits nach wenigen Minuten wieder beendet, weil die Versammlung mangels Abgeordneten nicht beschlussfähig war. Die Regierungsparteien und Cems "Yeni Türkiye" boykottierten die Sitzung, weil sie nicht einem Antrag der Islamisten-Opposition folgen wollten. Stattdessen soll in einer Woche ein neuer Anlauf unternommen werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.7.2002)