Zuerst war B. einfach Passant. Dann hat er sich hingesetzt. Auf einmal sah der Platz ganz anders aus. Geradezu wohnlich. So, dass er gar nicht mehr einfach nur weiter wollte, sondern tatsächlich gerne blieb und das Nichts anschaute, das zwischen ihm und den Wänden am anderen Ende des Platzes klaffte. Obwohl: Das Nichts nichtete hier nicht mehr. Da waren plötzlich Menschen. So wie er – auf den Schaummstoffquadern im Museumsquartier.Sie lagen, knotzten, lasen, spielten, ruderten, schmusten oder schliefen auf den grauen, schwarzen oder roten Blöcken, die da über Nacht vor Kunsthalle, Leopoldmuseum und Mumok aufgetaucht waren – und die sich auch in den anderen Höfen der großen, sterilen Kulturkasserne fanden. Vor allem rund um den kleinen Pool vor dem Leopoldmuseum entwickelte sich rasch ein eigene Schaumgummifloß-Wasserspieleszenerie (siehe auch Stadtgeschichte "Im Museumsfreibad" vor vier Wochen). Schaumgummiquaderrückholdienst Die Schaumgummiquader wurden in einem Ausmaß angenommen, das nicht nur B., sondern auch die Verwalter des Museumsquartieres überraschte: Ein eigener Ordnerdienst musste eingerichtet werden, um die Blöcke abends wieder halbwegs gleichmäßig über das Gelände zu verteilen, Schaumstofftrümmer aus Ecken und Nischen zu kehren und vor allem den Pool von Treibgut zu befreien. Das seltsame: Anstatt die Aktion deshalb abzubrechen, waren alle glücklich. Die MQ-Leute, weil ihre Höfe lebten. Der Künstler, weil seine Idee angenommen wurde. Und B., weil er einen neuen liebsten Summer-Hangout hatte. Aber B. ist neugieriger als die meisten Leute. Sich einfach nur zu freuen war nicht genug. Und deshalb stand er wenige Tage später in der Werkstatt von Josef Trattner. Schließlich, dachte sich B., hat auch der Möbelverteiler das Recht, ein Dankeschön zu hören. Erst recht, wenn sein Name nicht großkotzig auf jedem Schaumgummiwürfel draufsteht. Erst Verwendung schafft Kunst Josef Trattner freute sich. Und wie. Gerade dann, wenn man, wie der 47-jährige Steirer Kunst macht, die erst durch Benutzung vom Gegenstand zum Kunstobjekt wird, ist man für Reaktionen dankbar: Die Kunstkritik beschäftigt sich schließlich lieber mit dem, was im als „hehr“ definierten Gallerien-, Ausstellungs- oder Museumsrahmen einem ausgesuchten Kreis erlauchter Köpfe (verpackt in wohlformuliert-abgehobene, aber meist absolut nichtssagende Worthülsen, auf dass Außenstehende möglichst rasch erkennen, wie draußen sie sind) präsentiert wird. Kunst im öffentlichen Raum wird da entweder mit der Bemalung von Mistkübeln und Parkbänken, der Präsentation neuer Straßenlaternen oder aber mit Belustigungen á la Rathausplatz-Aufrissfilmfestival gleichgesetzt. Einer, der wie Josef Trattner einfach (insgesamt) 160 Meter Schaumgummi auflegt, bleibt da rasch unbeachtet. Freilich: Trattner die Aufwartung zu machen, ist gefährlich. Nach der Freude über die Gratulationen fragte der Künstler B., ob er einen Augenblick Zeit hätten ihm zu helfen. Er müsse nämlich ein paar neue Schaumstoffblöcke ins Museumsquartier tragen. „Die Trümmer sind schwer“, schnaufte B. als er dampfend wie ein Ross die ersten Quader abgelegt hatte, „aber das macht nichts. Immerhin kann ich jetzt sagen, dass ich der Assistent eines echten Künstlers bin. Und das nur, weil ich mich hingesetzt habe.“ NACHLESE --> Starbucks ist super --> Im Swingerclub --> Mit dem Twingo gegen die Monotonie --> Im Museumsfreibad --> Watschen für Othmar --> Der ganz geheime Zauberpark --> Überkopffische --> Das Nebelhorn --> Die versteckte Abhöranlage --> Freiradfahren --> Unten am Fluss --> Parklife --> Rauchzeichen --> Missionarsstellungen --> Das Ende der Stadt --> Die Wiese --> Durch die Blume --> Der Aidsstecher --> Drei ist mehr als sechs und kleinlich --> Wenn Werber weinen --> Der Wichser --> Ausgerechnet Curling --> Fahrraddiebe --> Der Leuchtturm --> Weitere Stadtgeschichten...