Berlin - EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler hat vor einem Glaubwürdigkeitsproblem der milliardenschweren EU-Agrarpolitik gewarnt, wenn es auf dem Gebiet keine durchgreifenden Reformen gibt. Die Bürger erwarteten gesündere Lebensmittel sowie mehr Schutz für Umwelt und Tiere, sagte der Kommissar am Dienstag in Berlin. "Wir können uns dafür nicht taub stellen", warb Fischler für die von ihm vorgeschlagenen Änderungen. Fischler räumte ein, dass die von ihm geplante Förderobergrenze von 300.000 Euro pro Betrieb vor allem die ostdeutschen Länder trifft. Er bestritt aber negative Folgen. "Man sollte nicht so tun, als ob die Kommission nur darauf aus ist, Deutschland Geld wegzunehmen", sagte Fischler. Er verwies darauf, dass den Höfen auch künftig zusätzliche Fördertöpfe für Arbeitskräfte, Umweltschutz oder ländliche Entwicklung zur Verfügung stehen. Wichtig seien nun "Phantasie und Kreativität" bei der Neuausrichtung der Betriebe. Obergrenze bedeutet nicht Ruin Die vorgeschlagene Obergrenze von 300.000 Euro Direktzahlungen pro Agrarbetrieb bedeute nicht den Ruin für Großhöfe. Es werde gerne verschwiegen, dass in Betrieben mit mindestens zwei Mitarbeitern für jeden weiteren Beschäftigten auch einen Freibetrag von 3.000 Euro vorgesehen sei, um arbeitsintensive Betriebe nicht zu benachteiligen. Für eine ehemalige Produktionsgenossenschaft in Brandenburg mit 165 Mitarbeitern liege die Förderhöhe dann beispielsweise nicht bei 300.000 Euro sondern bei 800.000 Euro, fügte er hinzu. Zugleich forderte Fischler, die EU-Direktzahlungen an die Landwirte besser zu verteilen: "Ist es sozial, dass 80 Prozent der Gelder an 20 Prozent der großen Betriebe gehen?" Es sei nicht zu rechtfertigen, dass einige wenige Großbetriebe jährlich EU-Subventionen jenseits der Millionengrenze erhielten. Bisher richtet sich die Höhe der Direktzahlungen nach der Produktion des Betriebs. Fischler will jedoch die Subventionen von der Produktion entkoppeln, um der Überproduktion entgegenzuwirken. Bauernverbände und Politiker hatten zuletzt parteiübergreifend vor den Nachteilen einer EU-Agrarreform insbesondere für die Großbetriebe in den neuen Ländern gewarnt. Fischler wandte sich erneut entschieden dagegen, die Debatte über eine Agrarreform mit der über die Finanzierung der EU-Erweiterung zu verknüpfen. Dies könne die Aufnahme neuer Länder in die EU verzögern, warnte er. Nach Angaben Fischlers sind für die Kosten der Erweiterung von 2004 bis 2006 insgesamt 39,5 Milliarden Euro eingeplant. 9,5 Milliarden davon seien für die Landwirtschaft vorgesehen; dies sei weit weniger als beispielsweise für die Strukturfonds. Fischler tourt derzeit durch die EU-Hauptstädte, um für sein Konzept zu werben. In Berlin traf er sich unter anderem mit der deutschen Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) sowie Vertretern von Agrar-, Umwelt- und Verbraucherverbänden. (APA/Reuters)