EU
SP-Sima fordert Reform des EURATOM-Vertrags
Auch Greenpeace fordert sofortigen Ausstieg
Wien - Als den "Schlüssel zum europäischen Atom-Ausstieg"
hat SPÖ-Umweltsprecherin Ulli Sima eine grundlegende Änderung des
EURATOM-Vertrags bezeichnet. "Anlässlich des nun auslaufenden
Gründungs-Vertrags für Kohle und Stahl ist es höchste Zeit, auch am
Gründungs-Vertrag EURATOM-Vertrag umgehend Änderungen vorzunehmen, um
die unerträgliche und durch nichts gerechtfertigte Vormachtstellung
der Nuklearenergie zu beenden", forderte Sima am Dienstag gegenüber
dem SPÖ-Pressedienst. Durch den Vertrag würden der Atomenergie innerhalb der EU enorme
Wettbewerbsvorteile eingeräumt, es würden damit die Regeln des freien
Wettbewerbs verletzt. Zudem habe der Vertrag auch noch "enorme
demokratiepolitische Mängel, da etwa das europäische Parlament
keinerlei Mitspracherechte hat", betonte Sima.
Initiative gefordert
Von der österreichischen Bundesregierung forderte die
SPÖ-Umweltsprecherin eine umgehende Initiative auf EU-Ebene.
Ansatzpunkt sei der EU-Konvent, der seit März an einer EU-Verfassung
arbeite und im Rahmen dessen auch bestehende EU-Verträge überprüfe.
"Dabei muss natürlich auch der EURATOM-Vertrag kritisch unter die
Lupe genommen werden. Das Schutzziel sollte bleiben und verstärkt
werden, dies betreffe vor allem den Strahlenschutz und
Sicherheitskontrollen, erläutert Sima. Hingegen müsse der Förderzweck
- also die finanzielle Sonderrolle und die besondere
Forschungsförderung - eliminiert werden.
"Die EU finanziert mittels EURATOM - und damit mit unseren
Steuergeldern - Betriebsverlängerungen der Atomanlagen im Osten,
unter anderem durch Kredite und damit verbundene Haftungsgarantien",
so Sima. Der bisher größte EURATOM-Kredit floss laut Sima in die
Fertigstellung der beiden ukrainischen Tschernobyl-Ersatzreaktoren
K2/R4, er belief sich auf 680,5 Mio. Euro. "Über die sogenannten
Phare- und Tacis-Projekte werden ebenfalls Millionen in marode
Ost-AKWs gepumpt, unter dem Deckmantel der Erhöhung von
Sicherheitsstandards wird die Betriebsdauer der AKWS verlängert, zur
Freude der westlichen Nuklearindustrie", kritisierte Sima. Denn
während sich die Atomindustrie im Westen am absteigenden Ast befinde,
sichere sie sich neue Aufträge im Osten.
Greenpeace fordert sofortigen EURATOM-Ausstieg
Die Umweltorganisation Greenpeace hat am Dienstag nach dem Auslaufen der Montanunion EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) die EU aufgefordert, auch aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen.
"Aufgrund des EURATOM-Vertrags können seit nunmehr 45 Jahren begünstigte Kredite für den AKW-Neubau und Förderungen für die Atomforschung vergeben werden", erklärt Steffen Nichtenberger, Atomexperte von Greenpeace in einer Aussendung. "Ein Vertrag, der laut eigener Präambel "die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie schaffen" wolle, sei "antiquiert und veraltet". Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seine österreichischen Ministerkollegen müssten sofortige Initiativen auf EU-Ebene zur Abschaffung dieses Vertrags ergreifen, "sollten sie ihr ständiges Gerede vom Europäischen Atomausstieg wirklich ernst meinen", so Nichtenberger.
Gründungsvertrag 1957
Nach Angaben von Greenpeace wurde der EURATOM-Vertrag am 25.März 1957 als Gründungsvertrag der Europäischen Atomgemeinschaft verabschiedet um die Atomindustrie wettbewerbsfähig zu machen. Durch die großzügige Vergabe von Krediten für den AKW-Neubau in Europa und massive Unterstützung im Bereich der Kernforschung leiste der Vertrag immer noch einen wesentlichen Teil zur Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken wie Temelin oder Bohunice. Seine wettbewerbsverzerrende Wirkung könne allerdings nicht vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) als gemeinschaftsrechtswidrig angeklagt werden, so Greenpeace.
"Ein Vertrag, der von der blinden Technikgläubigkeit der 1950er Jahre geprägt ist, darf nicht über die energiepolitische Zukunft Europas entscheiden. Die EU muss im Rahmen Ihres Erneuerungsprozesses durch den Konvent den unzeitgemäßen EURATOM-Vertrag abschaffen und Atomstrom endlich dem freien Markt aussetzen, wie das für Wind- und Sonnenenergie längst üblich ist", betonte Nichtenberger.
Während in Österreich vom europäischen Atomausstieg gesprochen werde, setze die EU-Kommission eindeutige Zeichen in die entgegengesetzte Richtung. Unter Berufung auf Kommissionskreise kritisiert Greenpeace, dass über die Ausdehnung der EURATOM-Kredite auf nicht-europäische Länder nachgedacht werde. Auch das jüngst erschienene Kommissionspapier über die energiepolitische Zusammenarbeit der EU mit so genannten Entwicklungsländern, in der die "nukleare Option" mit europäischer Unterstützung durchgesetzt werden solle, spreche eine deutliche Sprache. (APA) (APA)