„Sie ist einfach ... Sie ist einfach wie ... Ja. Sie ist einfach wie eine Frau.“

Nicos Hände zerschneiden in elliptischen Bahnen die Luft. „Sie ist eben sooo schön rund.“ Wild mit den Armen rudernd steht er da, wirft sich in die Brust, reißt die Augen auf. „Wie eine klasse Frau“, feuert er sich noch einmal an und schwingt sich zu einem brüchigen Memento auf, während er das Objekt seiner Begehrlichkeit fixiert. Pech allein, es ist nicht die seine, die er anpreist. Die blieb zuhause: "Kupplungsschaden". Doch das ist in diesem Moment Nebensache. Da steht sie. Rund. Prall. Kult. Willkommen im Vespa-Universum, Abteilung Mikrokosmos.

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Egal ob mit oder ohne eigene Vespa: Hauptsache "Brückenrun".

Zum mittlerweile sechsten Mal lud der „Vespaclub Scootermania Styria“ vergangenes Wochenende zum alljährlichen Happening im steiermärkischen Gleisdorf. Etwa 30 Vespistis waren gekommen und zelebrierten den kleinsten gemeinsamen Nenner einer Philosophie, die um mehr als nur ein motorisiertes Zweirad oszilliert.

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Hier geht es um MotorKult der härteren Sorte.

Religiös bis fanatisch verbrämt, mit Pop- und Stylezitaten unterfüttert, wird hier einem Teil gehuldigt, das einen fixen Platz im Lebenskapitel „Adoleszenz“ gebucht hat: Dem Vespa-Roller.

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Doch was die italienische Flugzeugschmiede Piaggio

1946 zum ersten Mal auf die Räder stellte, war kein Identitätsstifter. Die Idee gehorchte dem Gebot des Rationalismus. Günstig, effektiv und simpel waren die Prämissen, die sich Konstrukteur Corradino D'Ascanio ins Lastenheft geschrieben hatte. Er baute nichts weniger als eine Legende.

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Das Ding hatte nicht nur Taille, es hatte Charakter.

Auch wer sie nicht fuhr, kannte sie. Die meisten hassten sie. Das waren die anderen. Die Cup-Sachs-, Puch-Monza-, KTM-Enduro-Prolls. Tja. Eigentlich waren das alle.

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Und du mit deiner Vespa? Gegenkultur.

Parka, Scooterjacke, Doc Martens. „The Who“ im Ohr, die Zigarette im Mundwinkel und die erste Freundin im Arm. Ah ja: Und tunlichst aufgemotzt sollte das Zweirad bitte auch sein. Optisch als auch technisch. Polini, Malossi, Pinasco, LeoVinci hießen die Geldverbrennungshilfen aus dem Zubehör-Shop. Mit 15, 16, 17 ist das wichtig. „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ - eine Vespa war der patente Begleiter auf dem Weg dorthin.

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Gleisdorf ist am Ende des Weges.

Eine Autobahnunterführung gab den skurrilen Rahmen für die gereifte Ausgestaltung des Kults. Darunter: Die Brückenrunner, die meisten Anfang 20. Poloshirts und mit Aufnähern übersäte Combat-Jacken sind die Eckpfeiler des Dress-Codes.

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Eine bunte Mischung

aus Scooter-Boys, Poppern und Normalos. Das gesamte Spektrum einer sich wild verästelnden Subkultur, die viele Spielarten und nur einen gemeinsamen Nenner kennt: Vespa. Dazu: Bierbänke, zwei Getränkebuden, Bratwurst und Koteletts – Fertig ist das Vespa-Treffen.

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Und da ging es gleich in die Vollen.

"Touristische Ausfahrt nach Weiz" stand auf dem Programm.

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Stampede!!!

Das Steirerland erbebte angesichts des hereinbrechenden Wespen-Sturms.

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Denn Corso ist Vespisti-Pflicht.

Und da gibt es viel zu sehen. Die "Steirische Apfelstraße" etwa. Oder die "Steirische Schlösserstraße".

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Oder die "Steirische Grill- und Schlachtplattenstraße".

Dicht an dicht fädeln sich die Bratereien, alle im Texas-Cowboy-Pferdesattel-Putz, an den Magistralen zwischen Weiz, Gleisdorf und Feldbach auf. In der Road-Map sind sie noch nicht verzeichnet. Aber VP-Hirschmann ist sicher schon dran.

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Ankunft Weiz.

Tabor-Kino. Was in diesem bezaubernden Kleinstadtlichtspielhaus am hellichten Nachmittag gegeben wurde, stellt den Nukleus der rechtschaffenen Vespisti-Identität dar:

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QUADROPHENIA -

das auf Zelluloid gebannte Instant-Kompendium der rollernden Zunft. Was hier gesagt wurde, lebte als epochaler Nachhall in ein bis drei Generationen weiter. Was hier getan wurde, hatte schlicht religonsstiftenden Charakter.

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Tauchen wir kurz in die Handlung ein.

England in den Sixties. Es geht um Jimmy. Jimmy ist Mod. In seinem Motorroller sind tausende Pfund-Sterling verbaut. Jimmy hasst Rocker. Das ist schlecht. Jimmy nimmt blaue Pillen. Das ist sehr schlecht. Jimmy hat einen Traum. Das ist gut. Er will nach Brighton. Dort ist ein Roller-Treffen. Jimmy trifft einen alten Freund. Kevin ist Motorradfahrer. Mehr nicht.

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Jimmy muss zusehen,

wie Kevin von seiner Clique verprügelt wird. Zu Unrecht. Das verwirrt Jimmy. Gleichzeitig verliebt er sich in Steph. Das verwirrt Jimmy noch mehr. Er denkt nach. Die Mods verlieren für ihn an Bedeutung. Aber die Pillen machen ihn happy, Gang-Leader Ace gibt ihm Kraft. Er fährt nach Brighton. Zum großen Treffen. Hunderte Mods, ein paar Dutzend Rocker. Es kommt zum Showdown.

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Straßenschlacht.

Jimmy rettet sich mit Steph in einen Hinterhof. Dort machen sie Liebe. Die Polizei kommt und sorgt für Ordnung. Jimmy fährt wieder zurück nach London. Er ist unzufrieden. Zuhause legt er sich mit allen an. Nur Ace ist cool, richtig cool. Ace ist der Ober-Mega-Chef-Mod. Das Establishment ist ihm schnuppe. Das gefällt Jimmy. Trotzdem geht es Jimmy immer schlechter. Er fährt zurück nach Brighton. Dort sieht er Ace. Ace ist Gepäckträger in einem Hotel. Ein schleimig-schmieriger Vasall. Ein Verräter. Jimmy schnappt sich Ace´s Scooter und schickt ihn über die Klippen von Brighton. Der Roller zerschellt. Die Illusion ist zerstört. Kultfilm Ende.

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Zurück in der Realität.

In aufgekratzter "Olles-is-Oasch"-Stimmung und ideologisch proper aufmunitioniert geht es zurück.

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Doch die Straßen von Weiz und Umgebung

wollen noch immer nicht die von Brighton sein.

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Ernst hat das alles organisiert. Wohlorganisiert.

Über seine Bierflasche hinweg gewährt der Obmann der „Scootermanias“ einen Einblick in ein Leben im Zeichen des Motorrollers. „Angefangen hat alles mit 16. Da hab ich mein ganzes Geld in eine Vespa gesteckt,“ doziert der drahtige 32-Jährige. „Weil das mit dem Heavy Metal, das hat mir nicht getaugt.“ Nachdem er 30.000 Schilling in seine Wespe hinein verbaut hatte, griff er mit 18 zur „Großen“.

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„Mittlerweile hab ich vier Roller in der Garage stehen.“

Ernst blickt sich um, beugt sich verschwörerisch über den Tisch und beginnt über beide Ohren zu grienen: „Aber ich bin hier nicht der einzige, der so viele hat.“

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„Vespa-Fahren ist für mich reiner Stressabbau,“

sagt Ernst, der Obmann, Funktionär, Vespa-Journal-Autor und Bastler in Personalunion ist. „Das ist nicht fahren, sondern gleiten. Dann kann man wirklich alles machen: Meditieren, nachdenken, unter dem Helm singen ...“. 15 Mitglieder hat der Club. Rund 500 Vespistis sind österreichweit im Dachverband "Vespa Club Austria" organisiert. In seinem wirklichen Leben ist Ernst Architekt. Seine jüngste Errungenschaft ist eine Gilera 180. Was quasi heißt, dass es nicht nur Vespa sein muss? „Das ist egal. Lambretta, Gilera oder ItalJet - Hauptsache aus Italien."

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"Wir sind hier ja nicht beim Opel-Club."

(kommunikaze)

Links
Vespa Club Scootermania Styria
Quadrophenia für Einsteiger
Quadrophenia für Fortgeschrittene
Piaggio
Vespa Club Austria

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