Etat
Brau-Riese Interbrew bringt "Guardian" vor Gericht
Konflikt um Vertraulichkeit und Quellenschutz - IPI warnt vor Einschränkung der Pressefreiheit
Auf Konfliktkurs mit britischen Medien ist der belgische Brauerei-Riese Interbrew. Dass der Konzern nun vor Gericht
gegen die Tageszeitung "Guardian" vorgehen will, hat das
International Press Institute (IPI) zu Kritik veranlasst. Die NGO mit Sitz in Wien, die zumeist Verstöße gegen Meinungsfreiheit durch Regierungen und Behörden aufzeigt, sieht
diesmal Prinzipien der Pressefreiheit von einem
privatwirtschaftlichen Unternehmen bedroht. Der Hintergrund:
Im Herbst des Vorjahres vermeldeten britische Medien ein angebliches Übernahmeangebot von Interbrew für South African Breweries (SAB). Basis dieser Medienberichte waren allerdings
gefälschte Dokumente, derer Interbrew habhaft werden möchte. Der Nachrichtenagentur Reuters, der "Financial Times", der "Times", dem "Independent" sowie dem "Guardian" wurde ein Ultimatum gestellt und die britische Financial Services Authority (FSA) eingeschaltet, um die Causa weiter zu verfolgen.
Einigung mit "Independent"
Mit dem "Independent" hat sich Interbrew einer Presseaussendung zufolge mittlerweile geeinigt, da die Zeitung erklärte, nie selbst über die Dokumente verfügt zu haben. Alle anderen erklärten sich zu Verhandlungen mit der FSA bereit. Der "Guardian" hat allerdings mehrmals betont, dass nicht die Redaktion, sondern ein Journalist im Besitz der Papiere sei. Ihn könne und wolle man im Sinne der Vertraulichkeit der Quellen nicht dazu zwingen, sie vorzulegen.
Einfrieren des "Guardian"-Vermögens beantragt
Für Interbrew ist der "Guardian" daher "nicht willens, in einen konstruktiven Dialog zu treten": Während das am Montag abgelaufene Ultimatum für Reuters, "Financial Times" und "Times" verlängert wurde, will der Konzern den "Guardian" gerichtlich verfolgen. Als erster Schritt wurde das Einfrieren des "Guardian"-Vermögens beantragt, um in der Folge etwaige Schadenersatzansprüche absichern zu können.
IPI: Maßnahme nicht nachvollziehbar
Für das IPI ist diese Maßnahme nicht nachvollziehbar. "Die Zeitung soll unfair dafür bestraft werden, dass sie versucht, die Pressefreiheit zu wahren, indem sie Geschäfte über vertrauliche Fragen ablehnt", so IPI-Direktor Johann P. Fritz. Er appellierte an Interbrew, keine weiteren gerichtlichen Schritte zu tätigen, bevor sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMH) mit dem Fall beschäftigt hat. Ein Einfrieren der "Guardian"-Mittel könnte sogar ein Erscheinen der Zeitung verhindern, argumentiert man beim IPI.
Alan Rushbridger, Herausgeber des "Guardian", zeigte sich in einer Stellungnahme "sehr enttäuscht und überrascht", dass Interbrew gerade seine Zeitung solcherart verfolge. "Wir sind uns keines signifikanten Unterschieds zwischen unserer Position und der der vier anderen Medien bewusst." Man habe die Bereitschaft übermittelt, in der Sache gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Der Fall werfe aber grundsätzliche Fragen zu Vertraulichkeit und Quellenschutz auf und habe "ernsthafte Implikationen für die Pressefreiheit", betonte Rushbridger. Daher solle er auch am EGMH behandelt werden.
Interbrew betonte dazu, man respektiere die vom "Guardian"
angeführten Prinzipien. In diesem "außergewöhnlichen Causa" aber hätten die Konfliktparteien zuallererst Verantwortung den
Geschädigten gegenüber, wozu auch die Öffentlichkeit gehöre.
(APA)