Washington/Jerusalem - Nach dem Raketenangriff im Gazastreifen mit 15 palästinensischen Todesopfern ist Israel international unter starken Druck geraten. Die USA wiederholten ihre Kritik, die israelische Regierung habe bei der "Liquidierung" eines Hamas-Anführers vorsätzlich zivile Opfer in Kauf genommen. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte den Abzug der israelischen Armee aus den palästinensischen Autonomiegebieten. Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat die von den Israelis angefochtene Führungsposition des palästinensischen Präsidenten Yassir Arafat massiv verteidigt: "Ihn heute zu verdrängen würde das Chaos auslösen." Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, sagte in Washington, Israel habe gewusst, dass im Zielgebiet in der Stadt Gaza unschuldige Zivilisten wohnten. Daher könnten auch keine Parallelen zu Afghanistan gezogen werden, betonte er im Zusammenhang mit den zivilen Opfern bei US-Aktionen gegen Al-Qa'ida-Terroristen: Diese Toten habe es durch "Fehler oder Irrtümer" gegeben und nicht durch "überlegte Handlungen": "Das ist der entscheidende Unterschied." Fleischer bekräftigte, dass Präsident George W. Bush den israelischen Angriff als "grobschlächtige" Aktion einstuft. Dies sei dem israelischen Premier Ariel Sharon am Mittwoch durch die US-Botschaft in Israel offiziell zur Kenntnis gebracht worden. Israels Staatspräsident Moshe Katzav hat sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass die Armee bei der "Liquidierung" des Hamas-Anführers Salah Shehade "etwas verpatzt" habe. Dafür müssten "die politisch Verantwortlichen die Verantwortung übernehmen", sagte Katzav. Er bedauerte den Tod unschuldiger Zivilisten, meinte aber, dass wegen dieses Zwischenfalls "niemand aufgehängt werden muss". Zuvor hatten Regierungsmitglieder, darunter Innenminister Eli Yishai und Finanzminister Silvan Shalom, Regierungschef Sharon vorgeworfen, den Einsatzbefehl erteilt zu haben, ohne das Sicherheitskabinett zu konsultieren. Nach Angaben des arabischen Knesset-Abgeordneten Taleb al Sanaa, der am Dienstag mit dem palästinensischen Präsidenten zusammengetroffen war, ist Arafat der Überzeugung, dass Sharon mit dieser umstrittenen Militäraktion die jüngsten Bemühungen zum Scheitern bringen wollte, die radikalen Organisationen Hamas und "Islamischer Heiliger Krieg" zur Einstellung der Selbstmordattentate zu bewegen. Erst am Montag hatte der Gründer der Hamas, Scheich Ahmed Yassin, ein mögliches Ende der Selbstmordanschläge in Aussicht gestellt. Die Hamas hat nach dem Gaza-Raketenangriff Vergeltungsschläge auf israelische Zivilisten angekündigt. "Jeder Israeli" sei "zu jeder Zeit und an jedem Ort ein Ziel des palästinensischen Widerstands", sagte Hamas-Sprecher Mahmud Zahar. Seine Organisation werde "keinerlei Bedingungen" akzeptieren, Vergeltungsaktionen zu stoppen. (dpa, AP, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2002)