Wien - Das EU-Land Portugal steckt nach mehreren Jahren des Booms in einer Wirtschaftskrise. Die Staatsausgaben sind mit einem Haushaltsdefizit von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts außer Kontrolle. Portugal hat die geringste Produktivität pro Arbeiter in der Europäischen Union und wird darin sogar von den Beitrittskandidaten Slowenien, Ungarn und Tschechien übertroffen. Mit seinem Budgetdefizit hat Portugal die zugelassene EU-Obergrenze anscheinend noch weiter überschritten, als man bisher angenommen hatte. Wie die Wirtschaftszeitung Diario Económico am Dienstag berichtete, bezifferte eine Kommission unter der Führung der Lissaboner Nationalbank das Defizit für 2001 auf 4,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Damit hätte Portugal den im europäischen Stabilitätspakt festgelegten Grenzwert von 3,0 Prozent um 1,1 Prozentpunkte überschritten. Defizitverfahren droht Ministerpräsident José Manuel Durao Barroso hatte vor einem Monat mitgeteilt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) das portugiesische Defizit für 2001 vorläufige auf 3,9 Prozent bezifferte. Portugal droht nun als erstem Euro-Staat die Einleitung eines Defizitsverfahrens durch die EU. "Der EU-Kommission wird nichts anderes übrig bleiben, als die Regeln des Stabilitätspakts anzuwenden", schreibt die Zeitung Publico. "Das bedeutet, dass Portugal in den kommenden Jahren weniger Hilfen aus der EU-Kasse erhalten wird und eine Buße von mehreren Hundert Millionen Euro zahlen muss." Durao Barroso, in seiner politischen Frühzeit Maoist und heute ein rechtskonservativer Politiker, hatte im Wahlkampf massive Steuersenkungen und die Privatisierung von Staatsbetrieben versprochen. (APA, DER STANDARD, Printausgabe 25.7.2002)