Europa
Europäisches Menschenrechtsgericht rügt Papon-Prozess in Frankreich
Prozess gegen Nazi- Kollaborateur sei "ungerecht" gewesen - Entschädigung für Papon jedoch abgelehnt
Straßburg - Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof
hat das Verfahren der französischen Justiz gegen den
Nazi-Kollaborateur Maurice Papon gerügt. Der Prozess gegen den in
Paris inhaftierten Papon sei in der Form "ungerecht" gewesen,
entschied das Straßburger Gericht am Donnerstag. Papon war 1998 in
Bordeaux wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren
Haft verurteilt worden. Ihm wurde Beihilfe an der Deportation von
mehr als 1500 Juden zur Last gelegt. 1999 wurde Papon ein Prozess vor dem französischen
Kassationsgerichtshof verweigert, weil er sich nicht - wie damals in
Frankreich vorgeschrieben - am Abend davor in Haft begeben hatte.
Seine Beschwerde vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof
richtete sich gegen diese Vorschrift, die mittlerweile auf Druck der
Straßburger Richter abgeschafft wurde.
Papon war von 1942 bis 1944 als Generalsekretär der Präfektur von
Bordeaux an der Deportation von 1.600 Juden beteiligt. Der
NS-Kollaborateur war hoher Beamter des Vichy-Regimes unter Marschall
Philippe Petain, das während des Zweiten Weltkriegs mit
Nazi-Deutschland zusammenarbeitete. Nach dem Krieg war Papon unter
anderem Polizeichef von Paris und zuletzt Haushaltsminister unter
Präsident Valery Giscard d'Estaing.
Mit der Entscheidung vom Donnerstag können Papons Anwälte auf ein
Revisionsverfahren hoffen. Die Straßburger Richter gewährten Papon
die Erstattung der Kosten des Verfahrens in Höhe von knapp 29.200
Euro, lehnten aber eine Entschädigungszahlung ab. Der 91-Jährige
befindet sich in Paris in Haft. Ein Antrag auf Haftentlassung wegen
Gesundheitsproblemen war am Mittwoch von einem Pariser Gericht
abgelehnt worden.(APA)