Paris/London - Der verheerende israelische Luftangriff auf ein Wohnviertel in Gaza vom Dienstag hatte offenbar in letzter Minute eine palästinensische Initiative für ein vorläufiges Ende von Selbstmordattentaten verhindert. Damit befassen sich am Donnerstag die Kommentatoren mehrerer europäischer Zeitungen.
  • "Le Monde" (Paris):

    "Nach dem Angriff der Israelis auf Gaza-Stadt bleibt die vage Hoffnung, dass die amerikanische Politik im Nahen Osten zu einem besseren Gleichgewicht findet. Die zweite vage Hoffnung betrifft die Israelis selbst. Ein ranghoher israelischer Militär hat eingestanden, dass 'wir es nicht getan hätten, wenn wir die Folgen vorausgesehen hätten'. Diese Einstellung gibt zur Hoffnung Anlass, dass ein Teil der Armee eine andere Strategie hat als die brutale Gewalt der Vergeltung, die Ariel Sharon einsetzt. Ein Staat sollte sich an Grundsätze halten, die nicht die der Terroristen sind, hat ein israelischer Linkspolitiker einmal gesagt. Das sollte die Regierung Sharon nicht vergessen."

  • "The Times" (London):

    "Angesichts seiner blutigen Vergangenheit und fortdauernden Rolle bei der Planung willkürlichen Terrors ist Israels Zielen auf Salah Shehade ebenso gerechtfertigt wie die Verfolgung der El-Kaida-Führer durch den Westen. Leider ist es ein großer Jammer, dass die zweifellos unverantwortliche Weise, in der der Angriff ausgeführt wurde, es den Kritikern Israels erlaubt, sich auf die tragisch fehlgeleitete Art der Aktion zu konzentrieren, statt sich mit den eigentlichen Realitäten zu befassen. Aber so lange diese Realitäten sich nicht verändern, muss Israel seinen Krieg der Selbstverteidigung führen dürfen. Einen Krieg, in dem es stärker sein wird, wenn es die innere Stärke zeigt, übermäßige Gewalt zu meiden und seine Fehler anzuerkennen."

  • "Basler Zeitung":

    "Dass Israel im Kampf gegen palästinensischen Terrorismus versucht, der Organisatoren der hinterhältigen Attentate habhaft zu werden, ist verständlich und sein gutes Recht. Doch mit legitimer Selbstverteidigung lässt sich der nächtliche Luftangriff in keiner Weise begründen. Der völlig unangemessene Einsatz massiver militärischer Gewalt in dicht bevölkertem Wohngebiet und das Inkaufnehmen eines Blutbades unter unschuldigen Zivilisten machen den Angriff zu einem terroristischen Akt. Und da ihn Sharon als Regierungschef befahl, handelt es sich um einen Akt des Staatsterrorismus."

  • "Le Republicain Lorrain" (Metz):

    "Die falsche Genugtuung des israelischen Ministerpräsidenten nach dem Bombenangriff zählt nicht. Worauf es nach diesem Vorfall ankommt, das ist das internationale Echo. Dänemark hat im Namen der Europäischen Union erklärt, solche Einsätze könnten dem israelischen Volk keine Sicherheit verschaffen. Und der Sprecher von US-Präsident Bush hat daran erinnert, dass Israel sich der Konsequenzen seiner Handlungen bewusst sein muss. Vielleicht ist dies ein entscheidender Augenblick im israelisch-palästinensischen Konflikt. Wenn die Palästinenser so vernünftig wären, jetzt keine Bomben in Cafes zu werfen, würde es Sharon schwer fallen, nach diesem Bombardement wieder in Form zu kommen."

  • "Les Dernieres Nouvelles d'Alsace" (Straßburg):

    "Der Fatalismus, mit dem die israelischen Behörden den Tod von neun palästinensischen Kindern hinnehmen, steht im Widerspruch zu der berechtigten Empörung, die bei der Ermordung jüdischer Kinder durch Selbstmordattentäter herrscht. (...) Die getöteten Zivilisten sind kein Kollateralschaden, den man in drei bedauernden Sätzen abtun kann. Israel hat das Recht sich zu verteidigen, und der Chef des bewaffneten Zweiges der Hamas war ein radikaler Feind, der die Selbstmordattentate deckte. Nichts aber rechtfertigt, ihn unter solchen Umständen zu töten."

(APA/dpa)