Wien
Wien-Mitte: Die Höhe ist von unten nicht sichtbar
Die Genehmigungen sind erteilt -Das Modell ist erst jetzt zu begutachten
Wien - Am Boden steht es, das zentrale Ausstellungsstück. Ob das Holzmodell der vier geplanten Wien-Mitte-Türme aus Sicherheitsgründen hinter Plexiglas verborgen ist, damit niemand im Zorn darauf herumtrampelt?Zahlreich zur Begutachtung
Könnte gut sein, dass Gegner des Baus einen Wutanfall bekommen. Oder Weltkulturerbeschützer sich zu nah an den Miniatur-Stephansdom auf der Holzplatte knien. Aber vorerst nähern sich die Besucher im Architekturzen trum dem maßstabverkleinerten Bau gesittet - und recht zahlreich schon am ersten Tag
der Ausstellung.
„Großstädtisch“
„Großstädtisch“ findet ein
Herr mit Poloshirt und Wohnsitz Landstraße das, was da mit 97 Metern Turmhöhe geplant ist. „Wie in New York
oder Frankfurt.“ Obwohl: Die
Höhe einschätzen - das ist
schwierig. Von oben aus der
Flugperspektive ist alles
gleich hoch. Und von unten?
Nein, vor das Bodenmodell
legt er sich jetzt auch nicht,
die Höhe ist von unten nicht
sichtbar.
„Wie ein Boxer“
Kopfschüttelnd dagegen ein
Mann aus der Leopoldstadt.
Frankfurt? Was für ein
schlechtes Beispiel. Er darf
das sagen. Er ist in Deutschland geboren. In seiner Wiener
Wahlheimat schwant ihm
auch Übles: „Wien ist so einmalig in seinem sehr geschlossenen Stadtbild.“ Warum dies mit dem Bau des
Einkaufs- und Geschäftszentrums nun aufs Spiel gesetzt
werde, ist ihm schleierhaft.
Geradezu „gewalttätig“: Der
alte weißhaarige Mann ringt
nach Worten, während er sich
Projektbilder an den Wänden
anschaut. „Wie ein Boxer“
werde das neue Gebäude gegenüber dem Hilton-Hotel hocken. Seine Frau pflichtet ihm
bei. Und richtet ihre Augen
vielsagend auf den Titel des
Bildes, das ihren Mann so empört: „Grandiose Perspektive
für die Landstraße“. „Als
grandioser Anblick erscheint
es mir aber nicht.“
Starke Investoren
Was soll’s.
Die Politik habe hier eh keinen
Einfluss. Die Investoren seien
so stark, es geschehe, was diese wollten. Die politische Diskussion zum Bau ödet die
Menschen hier eher an.
Neben den verschiedenen
Baumodellen haben die Ausstellungsmacher auch historische Bilder von der Landstraße angebracht sowie Fotos
vom Istzustand. Trübe, graue,
unscharfe Regenansichten,
die die hässlichsten Seiten des
Areals zeigen. „Schon a bisserl
suggestiv, was?“ Eine junge
Dunkelblonde zeigt hinüber
zu den Fotomontagen: Dort ist
der Wien-Mitte-Sollzustand
dargestellt. Die Sonne spiegelt
sich in Glasfassaden. Stahl
und kühne Konstruktion.
Spaziergeher genießen urbanes Shoppingfeeling.
Hübsche Fotos werden die
Gegner nicht umstimmen.
Und gebaut wird sowieso. (Andrea Waldbrunner, DER STANDARD, Printausgabe 26.7.2002)