Berlin/Mainz - Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl sind die Chancen des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder auf eine Wiederwahl rapide gesunken. Nach der Affäre um Telekom-Chef Ron Sommer und Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping brachen die Sozialdemokraten in der politischen Stimmung von 40 auf 35 Prozent ein, ergab das am Freitag veröffentlichte ZDF-Politbarometer. CDU/CSU konnten sich dagegen im Vergleich zu Mitte Juli um zwei Prozent auf 43 Prozent verbessern. Bei der Kanzlerfrage liegt Unions-Herausforderer Edmund Stoiber nur noch sieben Prozent hinter Schröder. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering räumte Probleme ein und kündigte im Wahlkampf eine Rückkehr zu den Inhalten an. Zusammen mit der FDP (zehn Prozent, Juli I: acht Prozent) bekäme die Union in der politischen Stimmung damit die absolute Mehrheit, während die derzeitige rot-grüne Koalition nur 42 Prozent der Stimmen erhielte (Grüne: unverändert sieben Prozent). Die PDS stagniert bei drei Prozent. Bei der Sonntagsfrage ist dagegen der Verlust der SPD nicht ganz so stark: Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen die Sozialdemokraten auf 36 Prozent (Juli I: 37 Prozent), die Grünen unverändert auf sechs Prozent, die Union erhielte 41 Prozent der Wählerstimmen (40) und die FDP würde auf neun Prozent (acht) zulegen. Auch hier gäbe es somit eine Mehrheit für eine schwarz-gelbe Koalition. Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag des Senders n-tv verloren die Sozialdemokraten in der Sonntagsfrage ein Prozent und lagen bei 34 Prozent. Die Union rutschte um zwei Prozent auf 39 ab. Grüne (sieben Prozent) und PDS (sechs) konnten demnach jeweils um ein Prozent zulegen. Als Bundeskanzler sähen die Deutschen laut Politbarometer weiterhin lieber Schröder, sein Vorsprung gegenüber Stoiber ist allerdings geschrumpft: Schröder erhielte 48 Prozent der Stimmen (Juli I: 54), Stoiber 41 Prozent (38). Die meisten Wähler ordnen dagegen Stoiber mehr Kompetenzen in den Bereichen Wirtschaft und Arbeitsplätze zu: 33 Prozent glauben, dass Stoiber die Wirtschaftsprobleme löst, 30 Prozent trauen ihm die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu. Bei Schröder glauben das nur 14 beziehungsweise elf Prozent. Ähnlich sieht das Ergebnis bei den Parteien aus: 39 Prozent der Wähler trauen im Bereich Wirtschaft am meisten der Union zu (plus sechs), 22 Prozent der SPD (minus drei). Bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze vertrauen 38 Prozent (plus vier) mehr auf CDU/CSU, 22 Prozent (minus eins) auf die Sozialdemokraten. Schröders Stern ist auch innerhalb der Liste der zehn wichtigsten Politiker gesunken: Auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf erreicht er nur noch einen Wert von 1,1 (Juli I: 1,5) und liegt damit gleichauf mit CDU-Chefin Angela Merkel, die Stoiber (0,7) überrundet. Auf dem ersten Platz liegt weiterhin Außenminister Joschka Fischer, der sich aber von 2,0 auf 1,8 verschlechterte. Die Entlassung Scharpings trifft bei 61 Prozent der Befragten auf Zustimmung, 32 Prozent halten sie für nicht richtig. Allerdings sind 74 Prozent der Meinung, dass Schröder Scharping schon früher hätte entlassen müssen, nur 18 Prozent sehen das nicht so. Müntefering sagte im ZDF-Morgenmagazin, es sei schon in den vergangenen Monaten klar gewesen, dass die Wahl knapp werde. Sie könne aber in der heißen Wahlkampfphase "gewuppt" werden. "Die Diskussionen um Rudolf Scharping und die Telekom waren schwierig für uns, deshalb müssen wir nun zurück zu den Inhalten", sagte er. "Wir müssen nun selbstbewusst sein und uns dafür einsetzen, dass soziale Gerechtigkeit in Deutschland möglich bleibt." Für das Politbarometer befragte die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen vom 22. bis 25. Juli 1.262 Wahlberechtigte. Emnid befragte zwischen dem 10. und 20. Juli 667 Wahlberechtigte. Die Bundestagswahl in Deutschland findet am 22. September statt.(APA/AP/Reuters)