Europa
Gibraltar: Stein des Anstoßes zwischen Madrid und London
Strategisch-militärische Bedeutung - Mehr als 70.000 Firmen auf 6,5 Quadratkilometern
Madrid/Gibraltar/Wien - Der Felsen an der Südspitze der
Iberischen Halbinsel ist gerade einmal 6,5 Quadratkilometer groß.
Wegen seiner militärisch-strategischen Bedeutung ist er seit fast 300
Jahren ein Stein des Anstoßes im bilateralen Verhältnis zwischen
Spanien und Großbritannien. Der britische Admiral George Rooke hatte
den Felsen 1704 im Spanischen Erbfolgekrieg erobert. Im Vertrag von
Utrecht wurde Gibraltar 1713 auch offiziell den Briten zugesprochen.
Zuletzt waren London und Madrid einer Lösung sehr nahe gekommen. Dies
sorgte in Gibraltar für Unruhe. Dessen Regierungschef Peter Caruana
will im Oktober ein Referendum über den künftigen Status der
britischen Kronkolonie abhalten. Spanien will das Ergebnis nicht anerkennen. Jegliches
diesbezügliche Referendum der Bürger Gibraltars müsse von der
britischen Regierung unterstützt werden, ansonsten würde es ihm an
Gültigkeit fehlen, sagte die spanische Außenministerin Ana Palacio am
Donnerstag. Madrid verhandelt derzeit mit London über eine Teilung
der Souveränität über Gibraltar. London deutete wiederum eine
Ablehnung der Volksabstimmung an, da damit die Demokratie "umgangen"
werde. "Wir würden kein Referendum anerkennen, das nur der Ablehnung
der Regierungspolitik gilt und nicht durchdacht oder gründlich
diskutiert worden ist", erklärte das Außenministerium. Da sich eine
überwiegende Mehrheit der Bürger Gibraltars für einen Verbleib bei
Großbritannien ausspricht, scheint das Ergebnis des Referendums
bereits jetzt klar zu sein.
Dem spanischen König Philipp V. (1683-1746) wird der Satz
zugeschrieben: "Wie mit Dornen in den Füßen müssen wir Spanier leben,
solange Gibraltar England gehört." Zwar unternahm Spanien seit 1783
keine Versuch mehr, den Felsen militärisch zu erobern, erneuerte aber
immer wieder auf politischer und diplomatischer Ebene seinen Anspruch
auf Gibraltar, das seit 1830 den Status einer Kronkolonie innehat.
1969 gab London der Besitzung eine Verfassung mit einer gewissen
Autonomie. Spaniens damaliger Diktator Francisco Franco reagierte mit
einer totalen Blockade. Erst nach seinem Tod im Jahr 1975 und den
folgenden Jahren der Transition und der Integration Spanien in die
europäischen Institutionen wurden die Grenze wieder geöffnet. Anfang
Juli dieses Jahres erzielten London und Madrid weitgehende
Übereinstimmung über die "Teilung der Souveränität" über die
britische Kolonie. Später kamen die Gespräche aber wieder ins
Stocken.
In Gibraltar leben rund 28.600 Menschen meist spanischer,
portugiesischer oder marokkanischer Herkunft. Die berühmtesten
Bewohner der Kronkolonie dürften die frei lebenden Affen sein. Nach
der Legende bleibt Gibraltar solange britisch, wie sich die Kolonie
der Makaken auf dem Felsen hält. Als die Affen während des Zweiten
Weltkriegs vom Aussterben bedroht waren, ließ der damalige britische
Premier Winston Churchill Artgenossen aus Afrika nach Gibraltar
"importieren". Das kleine Stück Land gilt als Steuerparadies. Deshalb
gibt es in Gibraltar weniger als 70.000 Firmen. Diese dienen
großteils der Geldwäsche, weshalb sie der Europäischen Union ein Dorn
im Auge sind.
Großbritannien hat in Gibraltar rund 500 Militärs stationiert.
Besonders in Zeiten erhöhter Alarmbereitschaft gelten der Hafen und
der Airport als neuralgischer Punkt für Truppenbewegungen. Diese
zeigte sich beispielsweise im Jahr 1982 während des Konflikts mit
Argentinien um die Falkland-Inseln. Zuletzt kam es zu Unstimmigkeiten
zwischen Spanien und Großbritannien, als das havarierte Atom-U-Boot
"Tireless" ab Mai 2000 fast in Jahr lang in Gibraltar lag und
repariert wurde. Spanische Anrainer und Umweltschützer waren dagegen
Sturm gelaufen. Nicht zuletzt, weil bei dem Störfall im Mittelmeer
eine geringe Menge kontaminierten Kühlwassers ausgetreten war.(APA)