Berlin/Hamburg - Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff soll Presseberichten zufolge das Gütersloher Unternehmen verlassen. Der 49-jährige Manager soll nach Informationen des "Berliner Kurier" (Montagausgabe) neuer Vorstandsvorsitzender der Telekom werden. Der Bonner Telefon-Konzern wird nach dem Scheitern von Ron Sommer vor knapp zwei Wochen nur übergangsweise von Helmut Sihler und Gerd Tenzer geführt. Weder die Telekom noch Bertelsmann wollten die Presseberichte kommentieren. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung sollte der Führungswechsel bei Bertelsmann noch am Sonntag während einer Sitzung des Aufsichtsrates beschlossen werden. Als Nachfolger von Middelhoff solle dabei Vorstandsmitglied Gunter Thielen bestimmt werden, berichteten übereinstimmend "Bild" und "Berliner Kurier". Hintergrund sind laut "Bild" unterschiedliche Auffassungen zwischen Middelhoff und den Mehrheitsgesellschaftern über die zukünftige Ausrichtung des Konzerns. Nach einwöchtigen harten Querelen um Sommer waren am 16. Juli der ehemalige Telekom-Aufsichtsratschef Helmut Sihler sowie Technik-Vorstand Gerd Tenzer als Stellvertreter für sechs Monate mit der Leitung der Telekom-Geschäfte betraut worden. Gesucht wurde weiter nach einem wirtschaftlichen Schwergewicht für den exponierten Führungsposten. Zu dem Bericht über die Ernennung Middelhoffs sagte ein Sprecher der Telekom auf Anfrage: "An solchen Spekulationen beteiligen wir uns nicht." Herausforderung Middelhoff gilt als einer der deutschen Top-Manager. Der studierte Betriebswirt rückte 1994 in den Konzernvorstand der Bertelsmann AG auf. Vier Jahre später löste er den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner an der Bertelsmann-Spitze ab. Bertelsmann ist eines der größten Medienunternehmen der Welt. Die Gütersloher konnten ihren Umsatz im vergangenen Jahr auf rund 20 Milliarden Euro steigern. Das Unternehmen beschäftigt eigenen Angaben zufolge über 80.000 Mitarbeiter und ist in mehr als 50 Ländern tätig. Der Chefposten bei der Telekom gilt als große Herausforderung: Milliardenschulden und ungewisse Zukunftsaussichten beim neuen Mobilfunkstandard UMTS haben die T-Aktie von einst über 100 Euro auf zeitweise weit unter zehn Euro stürzen lassen. Nicht nur Großanleger, auch rund 2,9 Millionen Privatanleger büßten dadurch Milliardenwerte ein und machten ihrem Zorn auf das Management bereits mehrfach Luft. Der Bund ist mit 43 Prozent größter Anteilseigner der Telekom und galt als die treibende Kraft bei der Ablösung Sommers. Der "Berliner Kurier" gehörte bis vor wenigen Wochen noch zur Gütersloher Bertelsmann AG. Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr hatte die "Berliner Zeitung" und den "Berliner Kurier" Ende Juni an den Stuttgarter Holtzbrinck-Verlag verkauft. Gruner + Jahr gehört zu 74,9 Prozent der Bertelsmann AG. (APA/Reuters/AFP)