„Getrennte Klassen wären ein Rückschritt“, schaltet sich die Bildungsministerin mit gespielter Seriosität und ebensolcher Glaubwürdigkeit in die laufende Diskussion ein. Damit unterstelle ich ihr nichts, sondern ich habe es – wie viele – einfach satt, als Staatsbürgerin für blöd gehalten zu werden. Und erst recht habe ich genug davon, dass „strategische Argumentation“ in derartigen Fällen nicht öffentlich als das benannt wird, was sie ist, nämlich (in den selteneren Fällen) feig, oder (häufiger) unredlich bis unanständig. Bei den Freiheitlichen hat man das Gesprächssystem – spät aber doch – inzwischen durchschaut: Mit unterschiedlicher Professionalität, aber durchgängig wird auf die Frage nach der Qualität von Äpfeln mit dem Vorwurf der ausufernden Quantität von Birnen geantwortet. Die ÖVP ist zwar ein Spätzünder, aber die FPÖ hat auch hier abgefärbt. Die Ministerin weiß genau, dass ExpertInnen seit einigen Jahren ernsthaft darüber nachdenken zu empfehlen, in den (selbstverständlich) koedukativen Schulklassen zwei bis drei Gegenstände geschlechtsspezifisch getrennt unterrichten zu lassen. Die Liberalen haben bereits 1998 einschlägige Forschungsergebnisse zur Diskussion gestellt (damals allerdings auch von der SPÖ abgelehnt). Wie die Ministerin heute öffentlich reagiert ist nicht nur unseriös, sondern zeigt auch, dass sie an einer bildungspolitischen Debatte nicht das geringste Interesse hat. Gehrer weiß, dass kein Mensch getrennte Klassen verlangt hat, tut aber so, als sei das der Diskussionsgegenstand und versucht, die Debatte dort festzuhalten. Das ist nicht anständig und verhindert außerdem eine sachliche Auseinandersetzung. Aber was kann man vom Regierungsmitglied einer Koalition erwarten, in der selbst zu totalitärem Machtgehabe des Koalitionspartners geschwiegen wird. Das nach der Ablehnung des Gaugg-Privilegienvertrages von der FPÖ-Führung nach der Ablöse der dafür Verantwortlichen gerufen wird, ist der ÖVP ebenso wenig eine Reaktion wert, wie seinerzeit der Spitzelskandal, in dem die FPÖ lauthals die Ablöse der staatlichen Verfolger verlangt hat. Es ist schlimm genug, dass eine sich als christlich bezeichnende Partei eine Koalition mit der Unredlichkeit eingegangen ist. Dass sie aber auch noch so offensichtlich ihre Spielregeln übernimmt, macht die Sache ziemlich unerträglich und untergräbt die Demokratie. NACHLESE --> Ich schäme mich für diese Regierung! - 10.7.2002 --> Schutz ja – aber vor dem Vorurteil! - 26.6.2002 --> Rechtsruck in Europa: Antisemitismus – was ist das? - 3.6.2002 --> Gewöhnung frisst Empörung auf - 21.5.2002 --> Der nächste Angriff auf die Unschuldsvermutung - 2.5.2002 --> "Christliche" Heuchelei - 22.4.2002 --> In Zeiten wie diesen - 8.4.2002 --> Eine Frage des Respekts - 22.3.2002 --> Der private Landeshauptmann - 11.3.2002 --> Der Strafpfiff - 22.2.2002 --> Die Ablenkungsenquete - 8.2.2002 --> Regieren ist nicht Privatsache - 25.1.2002 --> Klartext, Herr Präsident! - 11.01.2002 --> Der verlorene Verfassungsbogen - 20.12.2002 --> Linke und rechte Moral? - 7.12.2002 --> Keine Details - welches Stück? - 22.11.2002 --> Autoritäre Reflexe und kein Ende! - 9.11.2002 --> Weitere Kommentare von Heide Schmidt, die in der Rubrik "Fremde Feder" erschienen sind.