Von wegen "süße 16"! Nie, nie, nie wieder 16 oder 17 sein, das geistert vielen diesem Alter lebend Entkommenen jetzt noch im Hinterkopf herum. Ihre Großmutter würden sie verkaufen, nur um nicht mehr in diesen Zustand versetzt zu werden. Von wegen unbeschwerte Jugend: ein grauenerregendes, hormongebeuteltes Fristen zwischen Existenzialismus, Pickeln und Punk!Mitleid und schmachvolle Erinnerungen an die eigene Jugend schwingen mit, als ein Treffen mit Fabienne vereinbart wird. Um es vorwegzunehmen: Diese erstaunliche, kluge, sympathische junge Frau hat nichts von alledem! Keine Rebellion, keine Provokation, keine Depression - sie ist trotzdem oder gerade deshalb spannend und bei Gott alles andere als fad. Doppelte Schmach! Sie scheint in sich zu ruhen, wirkt selbstsicher, nie arrogant, und weiß - dabei ist sie aber sicher eine Ausnahme in ihrer Altersgruppe - genau, was sie will. Und das ist: Schwimmen und Schule. Fabienne, die dank ihrem aus Sri Lanka gebürtigen Vater, einem Nachrichtentechniker, auf den exotischen, lautmalerischen Familiennamen Nadarajah hört, zählt zu Österreichs Schwimmerelite. Auf die Frage, in welcher Preishöhe sie ihre Klamotten, die sie wegen ihrer Größe von 1,85 Metern hauptsächlich bei Mango und Zara findet, gezahlt bekommt, antwortet sie deshalb kurz und bündig: "Staatsmeisterprämie". Also kaum Taschengeld betteln, sondern selbst verdienen. Und dabei nicht mehr als nötig verbrauchen: "Wieso soll ich für etwas Unmengen ausgeben, nur weil Donna Karan draufsteht?" Typisch für die Sportlerin, die selber sagt, von Kindesbeinen an von ihren Eltern zur Selbstständigkeit erzogen worden zu sein. Das merkt man. "Wenn ich Probleme mit meinem Trainer hatte, dann haben sich die Eltern nicht eingemischt und ihn angerufen, sondern gemeint: Das ist ausschließlich eine Sache zwischen dir und ihm." Fabienne, die wie ihre um fünf Jahre ältere Schwester Dominique wegen Frankreich, wo sich ihre Eltern einst kennen lernten, einen französischen Vornamen trägt, ist sozusagen amtierende Staatsmeisterin über 50 Meter Rücken und 50 Meter Delphin. Und über 100 Meter Rücken hält sie mit einer Zeit von 1,02 Minuten zusätzlich noch den österreichischen Rekord. Erfolg entsteht im Kopf: Zu solchen sportlichen Spitzenleistungen braucht man mentale Stärke. Eine Stärke, die sich auf alles andere ebenso auswirkt. Hinter dem Schwimmen stehen keine furchtbar ehrgeizigen Eltern-Trainer, sondern Fabienne selbst. Die Meisterin der Kurzstrecke ist - damals mit ihrer Schwester - "einfach hängen geblieben" beim Schwimmen. Warum nicht gleich ein Verein? Gesagt, getan. Es wurde der SVS Schwechat, dessen Kader von neun Leuten so etwas wie "eine zweite Familie" darstellt. Mit zwölf Jahren pausierte Fabienne, wechselte zu Tennis, bevor sie vor zwei Jahren wieder mit dem Schwimmen begann. Ihr längerfristiges Ziel, Staatsmeisterin, hatte sie "schneller als erwartet" erreicht. Und sie ist die Zwölftbeste der Welt über 50 Meter Delfin und die Zehntbeste über 50 Meter Rücken, wie die vorige WM zeigte. Viele fragten, so Fabienne, die eine - insgesamt sechsjährige - HAK-Sportschule im 10. Wiener Gemeindebezirk besucht, ob sie ihre Jugend nur mit Schwimmen und Schule vergeude. Das nervt. "Ich genieße mein Leben auf diese Weise." Und es sei ja nicht für ewig, denn sie will später Wirtschaft studieren. Sicher bekommen diese Kritiker und Neider keine Fanpost, so wie Fabienne. Wie geht sie damit um? Für einen Moment zeichnen sich ihre Grübchen an der Wange ab. "Die besonders originellen beantworte ich", that's it. Da sie morgens um 7 Uhr das Haus verlässt und gegen 21 Uhr in die elterliche Wohnung in Wien zurückkommt, bleibt fürs Fernsehen kaum Zeit. Und wenn, dann sind es MTV und Viva. Dass sich bei einigen Videos auch Macho-Rapper mit arschwackelnden Balz-Girls umgeben, stört sie nicht, solange sie nicht gestört wird: "Jedem das seine." Musicals sehe sie gerne, Musik höre sie fast nur über Radio (Ö3 und Energy), mit einer Ausnahme: Lenny Kravitz, von dem hat sie alles. Da verdreht sie die Augen, wenn sie an ein potenzielles Wien-Konzert denkt . . . Aber Lenny ist doch ein Zwerg (ca. 1,70) gegen sie! Ist doch egal, "es geht eh nur um die Musik". Ah so. Begeisterung schwingt mit, wenn Fabienne von ihren mit ihrer Schwimmer-Freundin absolvierten samstäglichen Kinobesuchen erzählt, sie schauen sich "praktisch alles" an. Eine Krux beim Schwimmsport sei die geringe Aufmerksamkeit, die man ihm allgemein entgegenbringt, im Gegensatz zu Skifahren etwa, meint die Spitzensportlerin. Fabienne, die auch bei der Sport-Gala als Model jobbte oder gemeinsam mit Beachvolleyballer Oliver Stamm ("Ist der lustig!") Speedo-Mode vorführte, lief auch bei einer Charity-Veranstaltung für behinderte Sportler. Menschen, für die sie tiefe Bewunderung hegt, Stichwort Paralympics. Und sie versteht nicht, "warum gerade diese Leute überhaupt keine Unterstützung bekommen". Eine Heilige. Fabienne, bitte sag doch etwas, das alle Ex-17-Depros ein wenig mit ihrer eigenen Vergangenheit versöhnt! "Was ich nicht kann, ist mein Zimmer aufräumen. Es türmt sich das Gewand von der ganzen Woche." Ein Klassiker also. Na wenigstens was. (DER STANDARD, RONDO, 12. 7. 2002)