Salzburg - Es geschah am helllichten zweiten Tag der ersten Saison des neuen Festspielintendanten Peter Ruzicka, dass die Wiener Philharmoniker ins Große Festspielhaus einzogen, um unter der Stabführung Riccardo Mutis das Verdi-Requiem darzubieten. Die erste Premierenschlacht des Sommers - Don Giovanni vom Vorabend - war geschlagen, nun schwoll der Strom der Beifallskundgebungen machtvoll, ungetrübt und nachhaltig an, bis auch der letzte Musiker sein Pult erreicht hatte, um beim Eintreffen des Dirigenten seine Höchstmarke zu erreichen.

Ein Blick zurück: Fünfzehnmal ist Giuseppe Verdis Messa da Requiem bei den Festspielen aufgeführt worden, davon allein achtmal unter Leitung Herbert von Karajans. Im Großen Festspielhaus war das Werk zuletzt August 1989 zu hören. Riccardo Muti hatte das Gedenkkonzert für die kurz zuvor verstorbene Langzeit-Prägegestalt der Festpiele dirigiert.

Kein Schelm also, wer den festlichen Auftrittsapplaus als eindeutige Wohlwollensdeklaration des Publikums nicht nur an die Adresse des Orchesters und des Dirigenten, sondern vor allem an Peter Ruzicka begreifen wollte, der hier wieder an die von seinem Vorgänger so brüsk abgelehnte Tradition des opulenten, kulinarischen Kunstgenusses in der Salzachstadt angeknüpft hatte.

Mit üppigem Pathos bretterte Muti hernach dann auch durch die wild-aufgepeitschte Gefühlssee Verdis, trieb vor allem das Solistenquartett zu Selbstentäußerungen in extremis an - die Leistungen der vier (Miriam Gauci, Daniela Barcellona, Giuseppe Sabbatini, Paata Burchuladze) als hochkarätig zu bezeichnen wäre eine Untertreibung.

Die Philharmoniker ließen mit ihrer gewohnt betörenden Klangsüffigkeit Vorfreude auf das nach dem Konzertereignis zu konsumierende Glas Wein aufkommen wie auch im Herzen manches Musikgourmands die Hoffnung aufkeimen, dass die klingenden Dinge in Salzburg ab und zu wieder so sein würden wie früher. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2002)