EU
Schröder räumt Differenzen mit Frankreich ein
Deutscher Kanzler erwartet dennoch Lösung im Streit um EU-Agrarpolitik bis Jahresende
Schwerin - Der deutsche Bundeskanzler Gerhard
Schröder hat Differenzen mit Frankreich in einer Reihe von Fragen
eingeräumt. Schröder betonte am Dienstag vor Beginn des
deutsch-französischen Gipfels mit Frankreichs Präsident Jacques
Chirac in Schwerin aber zugleich, die "Basis zwischen Deutschland und
Frankreich stimmt". Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Konflikt
mit Frankreich um die künftige EU-Agrarpolitik bis Jahresende gelöst
werden könne. Schröder begrüßte seinen Gast auf dem Marktplatz der ostdeutschen
Stadt mit militärischen Ehren. Anschließend führten beide ein erstes
Gespräch, an dem auch der neue französische Premier Jean-Pierre
Raffarin teilnahm. Parallel dazu tagten die wichtigsten Fachminister.
Die Landwirtschaftsminister nahmen an dem Treffen allerdings nicht
teil.
Bei einem gemeinsamen Rundgang durch die Innenstadt betonte
Schröder noch einmal die "feste Basis" der deutsch-französischen
Beziehungen. Auf diesem freundschaftlichen Fundament könnten auch
unterschiedliche Anschauungen ausgetragen werden. In Schwerin wolle
er mit Chirac ein Verfahren abstimmen, um einen Kompromiss im Streit
um die Finanzierung der EU-Agrarpolitik im Zuge der Erweiterung der
Europäischen Union zu finden. Strittig ist zwischen Paris und Berlin
vor allem die künftige Zahlung von Subventionen nach der Aufnahme
neuer Mitglieder in die EU. Berlin ist gegen eine Fortsetzung der
Zahlungen in der bisherigen Form. Einschnitte träfen vor allem
französische Bauern. Chirac hat mehrfach betont, Reformen bei den
umstrittenen Agrarsubventionen könnten nicht vor 2006 beginnen.
Schröder und Chirac wollen in Schwerin einen Zeitplan festlegen,
um bis November einen Kompromiss zu erreichen. Angesichts eines
möglichen Regierungswechsels in Deutschland nach der Wahl am 22.
September soll der Agrarkonflikt inhaltlich erst nach der Wahl gelöst
werden. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten im Juni vereinbart,
den Konflikt um die Agrarpolitik bis November zu lösen. Beim
EU-Gipfel im Dezember in Kopenhagen sollen die
Erweiterungsverhandlungen abgeschlossen werden.
An den Gesprächen im Schweriner Schloss nehmen neben
Premierminister Jean-Pierre Raffarin auch die Außen-, Verteidigungs-
und Finanzminister beider Länder teil. Keine Differenzen zwischen USA
und Frankreich auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite
sah Schröder in der Haltung gegenüber dem Irak. Niemand denke daran,
von eigenen Problemen auf wirtschaftlichem Feld mit militärischen
Schritten abzulenken. Einigkeit herrsche darin, dass der irakische
Staatspräsident Saddam Hussein durch verstärkten diplomatischen Druck
zur Rückkehr der UNO-Waffeninspektoren in das Land gebracht werden
müsse. "Über den Rest wird man reden," sagte Schröder.
Zu jüngsten Spekulationen über einen Angriff der USA auf den Irak
in naher Zukunft sagte der deutsche Bundeskanzler lediglich, in allen
anderen Fragen seien Konsultationen vereinbart: "Die werden auch
sicher gemacht." Zuletzt berichtete die "New York Times" am Montag
unter Berufung auf ranghohe Kreise des US-Verteidigungsministeriums,
die USA prüften Pläne, wonach bei einem Angriff zuerst die Hauptstadt
Bagdad und wichtige Kommandozentralen sowie Waffendepots eingenommen
werden sollten. In deutschen Regierungskreisen hieß es,
Konsultationen mit den USA über einen möglichen Angriff gegen Irak
hätten bisher nicht stattgefunden.
Beide Staaten wollen bei den insgesamt 79. deutsch-französischen
Konsultationen nach Angaben aus Regierungskreisen zudem eine
Absichtserklärung über ein Projekt für eine gemeinsame militärische
Satelliten-Aufklärung unterzeichnen. In der Abschlusserklärung des
gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitsrats soll außerdem das
europäische Projekt des Militärtransportflugzeugs A400M erwähnt
werden, um dessen Anschaffung es in Deutschland seit Monaten
Turbulenzen gibt.
Der Europaabgeordnete der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, sagte, es
gebe eine "gewisse Lähmung" im deutsch-französischen Verhältnis.
Frankreich und Deutschland hätten eine unterschiedliche Einschätzung
der Aufgaben Europas im Hinblick auf die Erweiterung. Für Deutschland
und seine jetzige Regierung sei es absolut notwendig, dass Reformen
vor der Erweiterung vorangetrieben werden. "Frankreich möchte sich
ein bisschen in die Erweiterung hereinmogeln", sagte Cohn-Bendit.
Dies betreffe vor allem die gesamte Agrarpolitik, "eines der
Herzstücke europäischer Politik".(APA/AP/dpa)