Der Verfassungsgerichtshof hat kürzlich eine Bestimmung im Familienlastenausgleichsgesetz aufgehoben, die es ausdrücklich untersagt hat, die Familienbeihilfe vom Geldunterhalt für Kinder abzuziehen (VfGH-Erkenntnis vom 19. Juni 2002, G 7/02 u. a.). Dadurch sollen getrennt lebende UnterhaltsschuldnerInnen steuerlich deutlich entlastet werden, was bei höheren Einkommen mit den bisher geltenden Unterhaltsabsetzbeträgen nicht bewirkt werden konnte.Damit verabschiedet sich der VfGH aber nicht nur endgültig vom Prinzip, dass die Familienbeihilfe für den Unterhalt des Kindes bestimmt ist, sondern er provoziert damit auch gravierende rechtliche und soziale Probleme für AlleinerzieherInnen - bekanntlich in den meisten Fällen Frauen. Zur Vorgeschichte: 1997 hat der VfGH befunden, dass die Kinder- und Unterhaltsabsetzbeträge im Einkommensteuergesetz (monatlich 350 S für das erste Kind, 525 S für das zweite und 700 S für jedes weitere Kind - ungeachtet dessen, ob das Kind im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt) nicht ausreichen, um die erforderliche Steuerentlastung bei höheren Einkommen zu bewirken. Er bekräftigte dabei auch seinen bereits 1991 aufgestellten Grundsatz, dass Unterhaltsleistungen an Kinder "nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung" sind. Die Unterhaltszahlungen seien steuerlich daher so weit zu berücksichtigen, dass zumindest deren Hälfte im Effekt steuerfrei bleibt. Als Reaktion darauf wurden mit dem "Familienpaket 2000" die Absetzbeträge für haushaltszugehörige Kinder auf 700 S erhöht, die Unterhaltsabsetzbeträge für nicht im Haushalt mit dem Steuerpflichtigen lebende Kinder wurden jedoch nicht angehoben. Mit Ende 2000 hat der VfGH die erhöhten Absetzbeträge für haushaltszugehörige Kinder nunmehr ausreichend gefunden, um auch bei höheren Einkommen die gewünschte steuerliche Entlastung zu bewirken. Allianz der Väter Als sich jedoch die Allianz der geschiedenen Väter beim Höchstgericht darüber beschwerte, dass ihre Unterhaltsabsetzbeträge nicht erhöht wurden, änderte der VfGH seine Linie und meinte, dass der Kindesunterhalt bei getrennt lebenden Eltern nun doch "Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos" sei, weshalb das Steuerrecht die Unterhaltszahllast nicht zu berücksichtigen brauche. Die eine Entlastung sollte vielmehr durch Abzug eines Teils der Familienbeihilfe vom geschuldeten Unterhalt bewirkt werden, was die Zivilgerichte bei der Unterhaltsfestsetzung interpretativ vorzunehmen hätten. Folge dieses 2001 gefällten Spruches war eine völlig unterschiedliche Gerichtspraxis und damit Rechtsunsicherheit für die Betroffenen, bis der Oberste Gerichtshof einen Antrag auf Gesetzesprüfung an den VfGH stellte. Dem VfGH blieb aufgrund dieses rechtlichen Chaos, das er wohl auch mitverursacht hatte, offenbar nichts anders übrig, als die Regelung des Familienlastenausgleichsgesetzes aufzuheben. Dies noch dazu mit sofortiger Wirkung, wodurch nun nicht ausreichend Zeit für eine gesetzliche Klärung bleibt, was allerdings dringend nötig wäre: Willkürakte möglich So wurde beim VfGH angefragt, ob geschiedene Väter nun eigenmächtig - ohne Einschaltung der Gerichte - die Familienbeihilfe vom Unterhalt abziehen dürfen. Es ist daher davon auszugehen, dass es auch solche Willkürakte geben wird und Frauen bzw. ihre Kinder aus Unkenntnis übervorteilt werden. Offen ist auch, ab welchem Einkommen und bis zu welcher Höhe die Gerichte den Unterhaltsabzug im Einzelfall bemessen werden. Aufgrund der Vorgeschichte ist anzunehmen, dass es auch hier wieder zu Unterschieden in der Gerichtspraxis kommen wird. Jedenfalls ist mit einer Flut von Anträgen auf Herabsetzung des Unterhalts zu rechnen - für die damit verbundene Überlastung der Gerichte werden die organisierten Väterrechtler wohl schon sorgen. Im Effekt bedeutet all dies eine Verschärfung der ohnedies nicht einfachen Situation geschiedener bzw. getrennt lebender Mütter und ihrer Kinder. Nunmehr sollen die Gerichte bis zu 20 Prozent der Familienbeihilfe vom Geldunterhalt für Kinder abziehen können. Laut VfGH soll dies zwar nur bei höheren Einkommen zulässig sein, aber die Grenzen werden in der Entscheidung nicht definiert. Wohlgemerkt geht es hier um die höheren Einkommen der Unterhaltsschuldner - und nicht die ihrer ehemaligen Partnerinnen. Bekanntlich haben ja gerade Mütter (im Spagat zwischen 24-stündiger Zuständigkeit für ihre Kinder und Berufstätigkeit) oft nicht die Möglichkeit, eigenständig gute Einkommen zu erzielen. Daher wird es gerade jene Haushalte hart treffen, in welchen die Kinder tatsächlich leben und betreut werden, wenn bei Kindern unter zehn Jahren monatlich bis zu 21 Euro (290 S), bei Kindern zwischen zehn und 19 Jahren bis zu 24,7 Euro (340 S) und bei Kindern über 19 Jahren bis zu 25,4 Euro (350 S) vom Unterhalt abgezogen werden können. Eine weitere Konsequenz dieser Entscheidung ist auch, dass der vom VfGH geforderte steuerliche Ausgleich für wohlhabende Väter nun nicht auf Kosten des Staatsbudgets, sondern auf Kosten privater Haushalte geht, was quasi eine Privatisierung öffentlicher Ausgaben bedeutet. Insgesamt stellt sich die Frage, warum der VfGH nicht - analog zu früheren Entscheidungen - die Gesetzgebung zur Anhebung der offenbar zu niedrigen Unterhaltsabsetzbeträge im Steuerrecht gezwungen hat, anstatt nun ins Unterhaltsrecht einzugreifen. Auch bleibt offen, warum der vom VfGH selbst aufgestellte Grundsatz, dass Unterhaltsleistungen an Kinder "nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung" sind, bei getrennt lebenden Eltern nicht in gleichem Maße gelten soll wie bei zusammen lebenden. Triftige Gründe Damit wird im Ergebnis auch eine Pönalisierung der Trennung von Elternpaaren bewirkt, was angesichts der vielfältigen und oft triftigen Gründe, warum insbesondere Frauen ihre Partner verlassen, äußerst problematisch erscheint. Im vorliegenden Erkenntnis des VfGH werden die Auswirkungen dieser gesellschaftspolitischen Wertentscheidung auf die tatsächlichen Lebensbedingungen von Frauen und Kindern jedoch in keiner Weise angesprochen (was letztlich nicht sonderlich überrascht). Eine Korrektur dieser unerfreulichen Entwicklung könnte die Gesetzgebung sehr leicht vornehmen: durch eine Anhebung der Unterhaltsabsetzbeträge für getrennt lebende Eltern, durch die Wiedereinführung des Verbotes, die Familienbeihilfe vom Unterhaltsanspruch des Kindes abzuziehen, und durch eine Klarstellung des alten Prinzips, dass die Familienbeihilfe dem Unterhalt der Kinder dient (und nicht zur steuerlichen Entlastung Besserverdienender). All dies könnte auf Ebene eines einfachen Gesetzes verankert werden. Die Rechtssprechung des VfGH würde damit nicht umgangen, sondern meines Ermessens sogar besser verwirklicht. DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 2.8.2002