Von Äpfeln und Adamskostümen keine Spur. Das Maß der Dinge nennt sich das Collegedrama des gläubigen Mormonen Neil LaBute, mit dem der Schweizer Theatermacher Igor Bauersima das neue Salzburger "Young Directors Project" eröffnete. Drei Nachwuchsregisseure konkurrieren dabei um den mit 10.000 Euro dotierten "Montblanc Young Directors Project Award".
The shape of things, so der englische Titel, ist eines jener Stücke, die von der Annäherung zweier Menschenkinder erzählen und dann am Ende doch viel mehr sind. Im Falle LaButes ist die Beziehungskomödie jedenfalls auch Künstlerdrama, Pygmalion-Verschnitt und moderne Genesis. Aber vor allem ist das Vierpersonenstück eines: ein Well-made-Play.
Denn wie eine Schraube dreht sich die Geschichte von Adam und Evelyn, die sich in einem Museum, in dem Adam als Aufseher arbeitet, kennen lernen, immer tiefer in die Bretter, auf denen das Stück steht. Auf die Romanze folgen Komplikationen - Evelyn lernt Adams Freunde Jenny und Phillip kennen - und schließlich der große Tusch. Ausweichmöglichkeiten gibt es keine, die Schraube sitzt fest, nur die Bretter, die hier den Kunstbetrieb bedeuten, können mit aller Kraft herausgerissen werden. Was Evelyn am Ende macht.
Die doppelten Böden gehören beim Dramatiker und Filmemacher Neil LaBute zum Handwerk: Bash war eine Variation klassischer Kindsmörderstoffe (Medea, Iphigenie) für die Jetztzeit. Das Maß der Dinge orientiert sich dagegen am Pygmalion-Stoff. In Ovids Metamorphosen gestaltet Pygmalion die ideale Frau als Statue, in die er sich verliebt. LaBute geht den umgekehrten Weg: Für die Kunststudentin Evelyn ist Adam ein Kunstwerk wie jenes, das sie zu Anfang im Museum mit einem riesigen Penis besprüht und das nach dem eigenen Ebenbild geformt wird.
Cooler Haarschnitt, gestylte Klamotten, Kontaktlinsen und schließlich ein körperlicher Eingriff: Die männliche Rippe aus dem Alten Testament weicht bei LaBute der männlichen Nase, die von der Frau korrigiert wird. Eine neuzeitliche Adaption der alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte. Statt auf tief schürfendes Chirurgenbesteck vertraut LaBute allerdings auf die Kosmetikindustrie. Auf einem bereits für die Verfilmung zugerichteten Dramenkörper trägt er dicke Schminke auf: Den Lippenstift führt Professor Higgins, den Spiegel hält Dorian Gray.
Nicht umsonst ist der Text mit Verweisen gespickt - damit bloß niemand die Ambitionen verkenne. Auf der Bühne helfen die verschmockten Gedankenstützen aber nicht weiter. Erst am Ende, wenn Evelyns Kunstexperiment enthüllt wird, stürzt ein ganzer Fragenkatalog über der Beziehungs-, die plötzlich zur Kunstkiste wird, zusammen. Bis dahin sind dem Erstaufführungsregisseur die Zügel aber entglitten.
Bei Bauersima kommt die Beziehungsmaschinerie einfach nicht in Gang, und das ist weder der Evelyn der allein gelassenen Johanna Wokalek noch dem Adam des Daniel Jesch anzulasten. Auch nicht Dorothee Hartinger (Jenny) und Raphael von Bargen (Phillip), die allesamt mehr können, als sie an diesem Abend zeigen.
Gefordert wäre eine im besten Sinne boulevardeske Schauspielerregie, ein Händchen, unter dem LaButes Kunstgewerbe Tiefe erlangt, unter dem eine Figur wie Evelyn im Widerspruch spannend und ein Typ wie Adam im Scheitern groß wird.