Bagdads Einladung an die UNO-Abrüster stößt auf Ablehnung im Westen
Redaktion
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Die Frage war fast schon vergessen: Hat die große militärische Stärke des Irak, vor der sich die ganze Welt fürchtete, 1991 nur auf westlichem Zeitungspapier bestanden - oder hat Saddam Hussein seine Möglichkeiten damals nicht angewandt, weil er wusste, dass er es nicht überleben würde? Was nichts anderes heißt, als dass er heute bei einem Militärschlag der USA mit dem deklarierten Ziel, ihn zu erledigen, ohne Skrupel alles einsetzen würde, was er zur Verfügung hat. Aber was hat er eigentlich?
Als die UNO-Waffenkommission Unscom im April 1991 ihre Arbeit aufnahm, war sie für nur kurze Zeit angelegt (was einen Teil ihrer späteren Schwierigkeiten erklärt). Der Irak hatte keine Massenvernichtungswaffen eingesetzt, also klangen die ersten Erklärungen - "Wir haben nichts (mehr)" - nicht ganz so absurd. Die Ernüchterung kam nach ein paar Monaten, als die Iraker erstmals mit Schüssen Inspektoren stoppten, die ein Auto nach Dokumenten durchsuchen wollten.
Die Arbeit der Unscom ist in zwei Abschnitte zu teilen: Bis zum August 1995 und nachher. Damals floh Saddams Rüstungsbeauftragter, sein Schwiegersohn Hussein Kamel, nach Jordanien. Just als er zu plaudern begann, "entdeckten" die Iraker in seiner Farm jene Dokumente, die alle alten Vorstellungen über die irakischen Massenvernichtungswaffen in den Bereich der Naivität verweisen sollten, und übergaben sie der UNO.
Aber auch danach blieben die zig FFCDs (Full, Final and Complete Disclosures) des Irak unbefriedigend, wurden die Inspektoren weiter behindert. Vor Abschluss ihrer Aufgabe verließen sie vor einem US-Angriff im Dezember 1998 das Land. Wenige Monate zuvor, im Februar, hatte noch einmal UNO-Generalsekretär Kofi Annan mit einer Reise nach Bagdad die Lage stabilisiert, aber nichts substanziell bewirkt - was die mangelnde UNO-Begeisterung für die jetzige Einladung Bagdads erklärt.
Die 1999 gegründete Unmovic müsste heute nicht nur die Arbeit der Unscom beenden, sondern auch untersuchen, was sich seit 1998 getan hat. Anhand von Beschaffungsversuchen des Irak im Ausland und von Berichten von Dissidenten (die aber meist schon vor Jahren den Irak verlassen haben) kann man raten, was Saddam vorhat. Dass die alten Waffenprogramme des Irak bis 1991 indes noch restlos aufzuklären sind, bezweifeln auch Inspektoren - nach der Niederlage hatte der Irak nach eigener Aussage einseitig vieles zerstört, was heute fast nicht mehr nachweisbar ist. Von in kriminalistischer Kleinarbeit (mit mehr als zögerlicher Kooperation der Lieferländer, inklusive Österreich!) zusammengestellten Listen von waffenrelevanten Materialien fehlt noch immer einiges.
Und dann ist da noch die unglückliche Episode der "Spionage" der Unscom, die vor ein paar Tagen vom früheren Unscom-Chef Rolf Ekeus wieder bestätigt wurde. Dass die CIA die Unscom zum Sammeln von Informationen missbrauchte, die zu etwas anderem als zur Abrüstung des Irak dienten (sprich, zum Tyrannenmord, im Widerspruch zur damals herrschenden US-Doktrin), war ein schwerer Schlag für den Ruf der UNO. Ohne jede Sympathie: Dass ein Regime mit seinen potenziellen Mördern zusammenarbeitet, ist ja auch nicht wirklich zu erwarten. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.8.2002)
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