Wien
"Deserteur" trotz Untauglichkeit bestraft
Prozess gegen 22-jährigen Soldaten in Wien
Wien - Nach Angaben seines Verteidigers Herbert Eichenseder
hat Michael bereits zweieinhalb Jahre im Gefängnis verbracht, "weil
er immer wieder vom Heer abpascht ist". Der mittlerweile 22-jährige
Wiener musste sich am Montag neuerlich wegen Verstoßes nach dem
Militärstrafgesetz im Straflandesgericht verantworten. Nachdem er
zuletzt nach einem Jahr Haft aus dem Gefängnis entlassen worden war,
habe er sich nicht - wie vorgesehen - bei der entsprechenden Stelle
gemeldet, hieß es in der Anzeige."Kaputter Soldat"
"Er ist noch immer Soldat!" machte ein Bundesheer-Vertreter im
Zeugenstand geltend. "Aber er ist ein kaputter Soldat", wandte
Richter Gustav Rothmayer ein. Michael hat Hepatitis C, und nachdem er
die Diagnose erfuhr, ging er - vermutlich nicht zu Unrecht - davon
aus, er wäre untauglich und seine Probleme mit dem Heer hätten sich
damit erledigt.
Seinen Angaben zufolge gab es vor seiner Entlassung im Frühjahr
2002 einen Kontakt mit der Militärstreife, die ihn nicht - wie in
solchen Fällen üblich - direkt vor dem Gefängnis abholte. Man trug
ihm angeblich auf, sich "einfach zu melden". Der 22-Jährige erklärte
in der heutigen Verhandlung, er hätte dann auch die
Ergänzungsabteilung aufgesucht, "weil dort meine militärische
Karriere begonnen hat".
Falsche Stelle
Das war jedoch offenbar die falsche Stelle. Da das Heer in
weiterer Folge nichts mehr von dem jungen Mann hörte, wurde ein Mal
mehr Anzeige erstattet. Im Juli wanderte Michael neuerlich in U-Haft.
Sein Prozess wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Staatsanwältin
Susanne Waidecker will nachprüfen, ob der 22-Jährige tatsächlich bei
der Ergänzungsabteilung vorgesprochen hat. Bis dahin darf sich
Michael wieder auf freiem Fuß bewegen: Der Richter entschied nämlich,
eine Verlängerung der U-Haft sei unangemessen. Michael wurde noch am
Montag entlassen. (APA)