Ein denkwürdiges, hochkarätiges und letztlich auch hochprozentiges Treffen irgendwo in Kärnten. 1. AKT In einem großen Zimmer mit Landschaftsgemälden und gestickten Deckerln auf Anrichten steht in der Mitte eine Ledergarnitur. Susi räumt zusammen. SUSI: Früher hätt' er es mir schon sagen können. Jetzt ist es wieder eine Hetzerei. (Sie stellt Blumen von der Anrichte auf den Tisch.) Er mag Blumen. Saddam tritt ein. SUSI: Grüß Gott! SADDAM (trägt einen dicken dunklen Pullover, spricht gutes Deutsch): Wo sind sie? SUSI: Er muss gleich da sein. Er ist sonst immer pünktlich. Wahrscheinlich ist er aufgehalten worden. Wollen Sie sich hinsetzen? Saddam setzt sich auf die linke Seite der Garnitur. Susi rückt noch ein paar Gegenstände hin und her. SUSI: Er kommt gleich. (Sie geht hinaus.) Saddam wartet und wird langsam unruhig. Einige Zeit vergeht. Gaugg (enger dunkelgrüner Anzug, rote Krawatte mit Schweinen drauf) tritt ein und sieht sich um. GAUGG: Ist er schon da? SADDAM: Guten Tag. Gaugg eilt auf ihn zu und schüttelt ihm die Hand. GAUGG: Ich hab' schon viel von Ihnen gehört. Ich bin der Direktor Gaugg Reinhart. Ich hätte mir nie gedacht, dass Sie da so herkommen, ohne Wirbel. Kennen Sie den Palitschek? (Deutet auf ein Schwein auf der Krawatte.) Der da, das ist der Palitschek. (Lacht.) Der ist bei mir Direktor. Mit solchen Sachen mach' ich sie narrisch. Gaugg setzt sich neben Saddam. Saddam sieht ihn ratlos an. GAUGG: Den Palitschek können Sie nicht kennen. Der ist ein Relikt aus den alten Zeiten. Aber die Zeit ist vorbei. Es weht ein neuer Wind. Der Wind sind wir! Saddam sieht in die andere Richtung. GAUGG: Ich wette, bei Ihnen hat es auch Palitscheks gegeben. Saddam sieht ihn ratlos an. GAUGG: Palitscheks! Bonzen, die man da einfach hingesetzt hat! Schwarze und Rote! Die nur einen Eisenhintern gehabt haben und kein Hirn! Läuse! SADDAM: Läuse? GAUGG: Die man nur wegspritzen kann! Haben wir einmal gesagt. Dann war wieder der Wirbel da. SADDAM: Das war bei uns anders. GAUGG: Wie? SADDAM: Wir haben sie weggespritzt. Gaugg sieht ihn mit großen Augen an. SADDAM: Weg. Susi tritt ein. GAUGG (zu Saddam): Einen Kaffee? (zu Susi) Geh bring uns zwei Kaffee. Mir einen mit Schuss. Und was zum Knabbern. Susi geht hinaus. Saddam und Gaugg sitzen und schauen aneinander vorbei. GAUGG: Auf den Bildern ist Kärnten. Wir haben viel Wasser, darum ist alles grün. (Stockt.) Wahrscheinlich ist er aufgehalten worden. Saddam steht auf und stellt sich vor ein Bild. GAUGG: Das ist St. Jakob im Rosental von oben. Man sieht direkt hinunter. (Versucht es hochdeutsch.) Das größte Kapital von Kärnten ist seine schöne Landschaft. Dieses Kapital erhalten wir und vermehren wir. Es kann nicht genug Landschaft geben. SADDAM: Es ist sehr schön. Was ist das? Funk? (Er deutet auf einen Punkt.) GAUGG (stellt sich neben ihn): Ein Gipfelkreuz. Auf jeden Gipfel stellen wir ein Gipfelkreuz. Es soll sagen, dass wir schon oben waren und der Berg bezwungen ist. SADDAM: Wie kann man einen Berg bezwingen? GAUGG: Das sagt man nur so. Es kann dann ja eh wieder eine Lawine geben. Haider tritt ein. GAUGG: Da ist er ja! Saddam und Gaugg stehen auf. HAIDER: Grüß euch! Er schüttelt Saddam die Hand. HAIDER: Willkommen im schönen Kärnten! Und noch einmal Entschuldigung, dass Ihr Gegenbesuch noch nicht so offiziell stattfinden kann, wie wir uns das alle wünschen würden. Aber auch dieser Tag kommt noch! Wie war die Grenze? SADDAM: Niemand hat mir gesagt, dass ich ein Bild von meinem Finger machen muss. GAUGG: Einen Fingerabdruck! HAIDER: Das ist halb so wild. Die Polizei kann eh nichts damit anfangen. Die haben ja von Ihnen keinen Fingerabdruck in der Kartei und vom Bin Laden nicht und von keinem Terroristen. SADDAM (springt auf): Ich bin kein Terrorist! HAIDER: Nein, Herr Präsident! (zu Gaugg) Die Araber sind nämlich besonders stolze Menschen, so wie wir. (zu Saddam) Ihr wollt zum Beispiel auch nicht, dass andere kommen und einfach bleiben und eure Frauen heiraten. Dass zum Beispiel, sagen wir, eine Million Kärntner kommen! (Haider lacht.) GAUGG: Aber es gibt ja nicht so viele Kärntner! SADDAM: Aber ich will hier niemanden heiraten. Ich bin schon verheiratet. GAUGG: Was! Mit wem? SADDAM: Ich habe meine Deutschlehrerin geheiratet. Sie stammt aus Passau. Sie heißt Trude. HAIDER: Eine Deutsche? SADDAM: Ja. GAUGG: Toll! (zu Haider) Ich muss einmal. (Er geht hinaus.) HAIDER: Er muss immer. Er hat eine Blase, so eine! (Er deutet mit zwei Fingern die Größe der bemerkenswert kleinen Blase an.) Und dauernd muss er. Bei uns müssen überhaupt alle oft. Am Innsbrucker Parteitag sind alle vor der Abstimmung aufs Klo gegangen. Das war Disziplin. Gaugg kommt zurück, setzt sich und schaut seine Kaffeetasse fragend an. GAUGG: Gell, aber jetzt trink ma was! HAIDER (zu Saddam): Wollen Sie etwas trinken? Etwas Ordentliches? SADDAM (lacht): Wir trinken alle Whiskey. Amerikanischen Whiskey. Ich liebe Amerika! Haider klopft mit einem Feuerzeug auf einen Aschenbecher. Susi tritt ein. HAIDER: Für den Präsidenten einen Whiskey. Und für den Reinhart und mich einen Roten. (zu Saddam) Wir trinken die Roten einfach weg. Eine rote Flasche nach der anderen. GAUGG (zerkugelt sich): Und manchmal spritzen wir die Roten! Alle lachen. Susi bringt die Getränke auf einem Tablett und beginnt einzuschenken. GAUGG: Einen Whiskey möchte ich auch! Zum Toasten! Alle stehen auf und heben ihre Gläser. Susi bleibt neben der Türe stehen. HAIDER: Auf die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern! Sie trinken und setzen sich. Susi geht hinaus. GAUGG: Gell, Sie sind Araber? Saddam sieht ihn fragend an. GAUGG: Bei uns gibt es ja ein ganz falsches Araber-Bild. "Kameltreiber", sagen die Leute. Dabei sind sie ja eine alte Kultur, so wie wir. Die Pyramiden kommen ja nicht von irgendwoher. SADDAM: Es ist bewiesen, dass der Mensch im Zwischenstromland entstanden ist. Zwischen Euphrat und Tigris. Bei uns im Irak. HAIDER: Stimmt. Aber dann ist er nach Europa gekommen. Die Germanen hat es schon sehr früh gegeben. GAUGG: Wir stammen von den Arabern ab? Saddam grinst fröhlich. GAUGG: Und vom Affen hat sich der Mensch zuerst zum Araber entwickelt? (Lacht laut und klatscht sich auf die Schenkel.) HAIDER (zu Saddam): Entschuldigen Sie. (Leiser zu Gaugg) Halt dich zurück! (Er steht auf.) Wir trinken auf die Gesundheit! Ex! Saddam und Gaugg stehen auf. Alle trinken ex, Haider ein Glas Wein, Gaugg und Saddam Whiskey. GAUGG: Sie wissen, was "ex" heißt? SADDAM: Nein. GAUGG: Aber Sie haben ex getrunken! SADDAM: Ich trinke immer aus. HAIDER (deutet auf Gaugg): Wissen Sie, unsere Leute kommen von ganz unten. Wenn sie hinaufkommen, haben sie Härte gelernt. SADDAM: Mein Vize war Eisverkäufer. HAIDER: Der Gaugg Reinhart war bei der Bank. Damals war er einer unserer Ersten, ein alter Kämpfer, gell, Reinhart. Gaugg strahlt. HAIDER: Niemand hat sich umsonst geopfert. Ein Opfer verdient einen Lohn. Je größer das Opfer, desto größer der Lohn. Jeder, der bei uns unten anfängt, kann es zum Direktor bringen. Oder zum Minister. Wir lassen keinen fallen. GAUGG: Auf das trinken wir! Alle drei stehen auf und trinken. Susi tritt ein und bringt neue Flaschen. Fünf Stunden später. SUSI: Ich muss jetzt weg, in den Ministerrat. (Gibt Saddam die Hand.) Auf Wiedersehen, Herr Präsident. (Geht hinaus.) HAIDER: Eine furchtbare Doppelbelastung, die sie hat. Aber sie ist sehr tüchtig, das muss man sagen. Na, gemma. GAUGG: Bumsti, heut spür ich's. Sie stehen auf und gehen. 2. AKT Auf einer Kärntner Straße. Eine Gendarmeriestreife hat Reinhart Gaugg aufgehalten. Blaulicht. Die Gendarmen versuchen, den aufgebrachten Gaugg zu beruhigen. GAUGG: Ich bin der Direktor Gaugg Reinhart! Ich bin bis jetzt mit Saddam und Haider zusammengesessen! EIN GENDARM (sieht Gaugg ratlos an): Loss ma'n blosn. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6.8.2002)