Frankreich
<b>Dramolett:</b> Saddam, Haider, Gaugg
"Gell, aber jetzt trink ma was!" Oder: "Einen Whiskey möchte ich auch!" Oder: "Wir trinken die Roten einfach weg!" Ein Übertreibungskunststück von Peter Pilz
Ein denkwürdiges, hochkarätiges und letztlich auch hochprozentiges Treffen irgendwo in Kärnten. 1. AKT
In einem großen Zimmer mit Landschaftsgemälden und gestickten Deckerln auf Anrichten steht in der Mitte eine Ledergarnitur. Susi räumt zusammen.
SUSI: Früher hätt' er es mir schon sagen können. Jetzt ist es wieder eine
Hetzerei. (Sie stellt Blumen von der Anrichte auf den Tisch.) Er mag Blumen.
Saddam tritt ein.
SUSI: Grüß Gott!
SADDAM (trägt einen dicken dunklen
Pullover, spricht gutes Deutsch): Wo
sind sie?
SUSI: Er muss gleich da sein. Er ist
sonst immer pünktlich. Wahrscheinlich ist er aufgehalten worden. Wollen Sie sich hinsetzen?
Saddam setzt sich auf die linke Seite
der Garnitur. Susi rückt noch ein paar
Gegenstände hin und her.
SUSI: Er kommt gleich. (Sie geht hinaus.)
Saddam wartet und wird langsam unruhig.
Einige Zeit vergeht.
Gaugg (enger dunkelgrüner Anzug,
rote Krawatte mit Schweinen drauf)
tritt ein und sieht sich um.
GAUGG: Ist er schon da?
SADDAM: Guten Tag.
Gaugg eilt auf ihn zu und schüttelt
ihm die Hand.
GAUGG: Ich hab' schon viel von Ihnen gehört. Ich bin der Direktor
Gaugg Reinhart. Ich hätte mir nie gedacht, dass Sie da so herkommen,
ohne Wirbel. Kennen Sie den Palitschek? (Deutet auf ein Schwein auf
der Krawatte.) Der da, das ist der Palitschek. (Lacht.) Der ist bei mir Direktor. Mit solchen Sachen mach' ich
sie narrisch.
Gaugg setzt sich neben Saddam. Saddam sieht ihn ratlos an.
GAUGG: Den Palitschek können Sie
nicht kennen. Der ist ein Relikt aus
den alten Zeiten. Aber die Zeit ist
vorbei. Es weht ein neuer Wind. Der
Wind sind wir!
Saddam sieht in die andere Richtung.
GAUGG: Ich wette, bei Ihnen hat es
auch Palitscheks gegeben.
Saddam sieht ihn ratlos an.
GAUGG: Palitscheks! Bonzen, die
man da einfach hingesetzt hat!
Schwarze und Rote! Die nur einen
Eisenhintern gehabt haben und kein
Hirn! Läuse!
SADDAM: Läuse?
GAUGG: Die man nur wegspritzen
kann! Haben wir einmal gesagt. Dann
war wieder der Wirbel da.
SADDAM: Das war bei uns anders.
GAUGG: Wie?
SADDAM: Wir haben
sie weggespritzt.
Gaugg sieht ihn mit großen Augen an.
SADDAM: Weg.
Susi tritt ein.
GAUGG (zu Saddam):
Einen Kaffee? (zu Susi)
Geh bring uns zwei Kaffee. Mir einen mit
Schuss. Und was zum
Knabbern.
Susi geht hinaus. Saddam und Gaugg sitzen
und schauen aneinander vorbei.
GAUGG: Auf den Bildern ist Kärnten. Wir
haben viel Wasser, darum ist alles
grün. (Stockt.) Wahrscheinlich ist er
aufgehalten worden.
Saddam steht auf und stellt sich vor
ein Bild.
GAUGG: Das ist St.
Jakob im Rosental von oben. Man sieht direkt hinunter. (Versucht es hochdeutsch.) Das
größte Kapital von Kärnten ist seine
schöne Landschaft. Dieses Kapital
erhalten wir und vermehren wir. Es
kann nicht genug Landschaft geben.
SADDAM: Es ist sehr schön. Was ist
das? Funk? (Er deutet auf einen
Punkt.)
GAUGG (stellt sich neben ihn): Ein
Gipfelkreuz. Auf jeden Gipfel stellen
wir ein Gipfelkreuz. Es soll sagen,
dass wir schon oben waren und der
Berg bezwungen ist.
SADDAM: Wie kann man einen Berg
bezwingen?
GAUGG: Das sagt man nur so. Es
kann dann ja eh wieder eine Lawine
geben.
Haider tritt ein.
GAUGG: Da ist er ja!
Saddam und Gaugg stehen auf.
HAIDER: Grüß euch!
Er schüttelt Saddam die Hand.
HAIDER: Willkommen im schönen
Kärnten! Und noch einmal Entschuldigung, dass Ihr Gegenbesuch
noch nicht so offiziell stattfinden
kann, wie wir uns das alle wünschen
würden. Aber auch dieser Tag
kommt noch! Wie war die Grenze?
SADDAM: Niemand hat mir gesagt,
dass ich ein Bild von meinem Finger
machen muss.
GAUGG: Einen Fingerabdruck!
HAIDER: Das ist halb so wild. Die
Polizei kann eh nichts damit anfangen. Die haben ja von Ihnen keinen
Fingerabdruck in der Kartei und vom
Bin Laden nicht und von keinem Terroristen.
SADDAM (springt auf): Ich bin kein
Terrorist!
HAIDER: Nein, Herr Präsident! (zu
Gaugg) Die Araber sind nämlich besonders stolze Menschen, so wie wir.
(zu Saddam) Ihr wollt zum Beispiel
auch nicht, dass andere kommen und
einfach bleiben und eure Frauen heiraten. Dass zum Beispiel, sagen wir,
eine Million Kärntner kommen!
(Haider lacht.)
GAUGG: Aber es gibt ja nicht so viele
Kärntner!
SADDAM: Aber ich will hier niemanden heiraten. Ich bin schon verheiratet.
GAUGG: Was! Mit wem?
SADDAM: Ich habe meine Deutschlehrerin geheiratet. Sie stammt aus
Passau. Sie heißt Trude.
HAIDER: Eine Deutsche?
SADDAM: Ja.
GAUGG: Toll! (zu Haider) Ich muss
einmal. (Er geht hinaus.)
HAIDER: Er muss immer. Er hat eine
Blase, so eine! (Er deutet mit zwei Fingern die Größe der bemerkenswert
kleinen Blase an.) Und dauernd muss
er. Bei uns müssen überhaupt alle
oft. Am Innsbrucker Parteitag sind
alle vor der Abstimmung aufs Klo gegangen. Das war Disziplin.
Gaugg kommt zurück, setzt sich und
schaut seine Kaffeetasse fragend an.
GAUGG: Gell, aber jetzt trink ma
was!
HAIDER (zu Saddam): Wollen Sie
etwas trinken? Etwas Ordentliches?
SADDAM (lacht):
Wir trinken alle
Whiskey. Amerikanischen Whiskey. Ich liebe Amerika!
Haider klopft mit
einem Feuerzeug
auf einen Aschenbecher. Susi tritt ein.
HAIDER: Für den
Präsidenten einen
Whiskey. Und für
den Reinhart und
mich einen Roten.
(zu Saddam) Wir trinken die Roten
einfach weg. Eine rote Flasche nach
der anderen.
GAUGG (zerkugelt sich): Und
manchmal spritzen wir die Roten!
Alle lachen. Susi bringt die Getränke
auf einem Tablett und beginnt einzuschenken.
GAUGG: Einen Whiskey möchte ich
auch! Zum Toasten!
Alle stehen auf und heben ihre Gläser.
Susi bleibt neben der Türe stehen.
HAIDER: Auf die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern!
Sie trinken und setzen sich. Susi geht
hinaus.
GAUGG: Gell, Sie sind Araber?
Saddam sieht ihn fragend an.
GAUGG: Bei uns gibt es ja ein ganz
falsches Araber-Bild. "Kameltreiber", sagen die Leute. Dabei sind sie
ja eine alte Kultur, so wie wir. Die Pyramiden kommen ja nicht von irgendwoher.
SADDAM: Es ist bewiesen, dass der
Mensch im Zwischenstromland
entstanden ist. Zwischen Euphrat
und Tigris. Bei uns im Irak.
HAIDER: Stimmt. Aber dann ist er
nach Europa gekommen. Die Germanen hat es schon sehr früh gegeben.
GAUGG: Wir stammen von den Arabern ab?
Saddam grinst fröhlich.
GAUGG: Und vom
Affen hat sich der
Mensch zuerst zum
Araber entwickelt?
(Lacht laut und
klatscht sich auf die
Schenkel.)
HAIDER (zu Saddam): Entschuldigen
Sie. (Leiser zu Gaugg)
Halt dich zurück! (Er
steht auf.) Wir trinken auf die Gesundheit! Ex!
Saddam und Gaugg
stehen auf. Alle trinken ex, Haider ein Glas Wein, Gaugg
und Saddam Whiskey.
GAUGG: Sie wissen, was "ex" heißt?
SADDAM: Nein.
GAUGG: Aber Sie haben ex getrunken!
SADDAM: Ich trinke immer aus.
HAIDER (deutet auf Gaugg): Wissen
Sie, unsere Leute kommen von ganz
unten. Wenn sie hinaufkommen, haben sie Härte gelernt.
SADDAM: Mein Vize war Eisverkäufer.
HAIDER: Der Gaugg Reinhart war bei
der Bank. Damals war er einer unserer Ersten, ein alter Kämpfer, gell,
Reinhart.
Gaugg strahlt.
HAIDER: Niemand hat sich umsonst
geopfert. Ein Opfer verdient einen
Lohn. Je größer das Opfer, desto größer der Lohn. Jeder, der bei uns unten
anfängt, kann es zum Direktor bringen. Oder zum Minister. Wir lassen
keinen fallen.
GAUGG: Auf das trinken wir!
Alle drei stehen auf und trinken. Susi
tritt ein und bringt neue Flaschen.
Fünf Stunden später.
SUSI: Ich muss jetzt weg, in den Ministerrat. (Gibt Saddam die Hand.)
Auf Wiedersehen, Herr Präsident.
(Geht hinaus.)
HAIDER: Eine furchtbare Doppelbelastung, die sie hat. Aber sie ist sehr
tüchtig, das muss man sagen. Na,
gemma.
GAUGG: Bumsti, heut spür ich's.
Sie stehen auf und gehen.
2. AKT
Auf einer Kärntner Straße. Eine Gendarmeriestreife hat Reinhart Gaugg
aufgehalten. Blaulicht. Die Gendarmen versuchen, den aufgebrachten
Gaugg zu beruhigen.
GAUGG: Ich bin der Direktor Gaugg
Reinhart! Ich bin bis jetzt mit Saddam und Haider zusammengesessen!
EIN GENDARM (sieht Gaugg ratlos
an): Loss ma'n blosn.
(DER STANDARD Print-Ausgabe, 6.8.2002)