In so manchem malerischen Grazer Innenstadthof wird im Sommer Theater gespielt, den originellsten haben sich nun Dorothee Steinbauer & Wolfgang Dobrowsky für ihre melancholische Umsetzung von Michael Ondaatjes "Die gesammelten Werke von Billy the Kid" ausgesucht. Vor der desillusionierenden Kulisse abbruchreifer Hofgebäude und eines geweihgeschmückten Beisls spüren sie dem Mythos vom Teenager-Outlaw im Wilden Westen nach. Die in Graz gastierende Produktion des cultur-centrum wolkenstein leitet einen Ondaatje-Schwerpunkt ein, der 2003 mit "Buddy Bolden's Blues" fortgesetzt werden soll. Mit zu langem epischen Atem umkreist die österreichische Erstaufführung des lyrisch überhöhten und von keinem Geringeren als Werner Herzog übersetzten Texts den legendären Helden, einen exzessiv mit seinem Leben experimentierenden Außenseiter. Assoziativ folgen Erzählungen der GefährtInnen und Feinde. Ein elfköpfiges Ensemble, das singt, tanzt und musiziert, fängt ein Leben an der Grenze ein: Killer und "netter Junge". In diesem Western-Decamerone gibt es nur wenige Momente, in denen Handlung entsteht: Diese wiederholen zwar mit ermüdender Gleichförmigkeit die Themen Whiskey, Waffen, Weiber, doch blitzt in der herben Demontage einer glorifizierten Epoche auch ein wohltuend irritierendes Amalgam von Banalität und Poesie, von Gemeinheit und Humanität auf. (frak / DER STANDARD, Printausgabe, 7.8.2002)