Innsbruck - "Das ist derart kriminell - Abgründe tun sich auf!" Josef Sporer, Präsident der Tiroler Kammer der Wirtschaftstreuhänder, ringt auch sechs Wochen nach dem Auffliegen des so genannten Finanzamtsskandals noch nach Worten, wenn er auf die Rolle der darin offenbar verwickelten Steuerberatungskanzleien angesprochen wird. "Das Material ist derart dicht und massiv", meint Sporer, weshalb es für ihn keinen Zweifel an der Beteiligung von zwei Innsbrucker Kanzleien gibt.Die Kammer würde nur darauf warten, dass die Staatsanwaltschaft Voruntersuchungen gegen die beiden belasteten Kanzleien einleitet, um deren "vorläufige Suspendierung" aussprechen zu können, meint Sporer. Er spricht von zwei schwarzen Schafen in einer Schar von 600, die "zu 99 Prozent seriös arbeiten" würden. Wer seinen Kunden einen "Schutzengel beim Finanzamt" verspreche, verschaffe sich einen Wettbewerbsvorteil, erklärt Sporer und ist besonders darüber empört, dass innerhalb des kriminellen Netzwerkes sogar Prüfungen durch das Finanzamt verlangt worden seien und in einigen Fällen dabei Umsatzsteuergutschriften in Millionenhöhe herausgekommen seien. Hinweise hätte es bis zum Auffliegen der Machenschaften rund um den FC Tirol keine gegeben, versichert Sporer, es sei lediglich über "Prüfer, die pfuschen, gemunkelt worden". "Ein bissl` pfuschen "Jeder Prüfer darf ein bissl' pfuschen, das ist ein ungeschriebenes Gesetz", ist Rechtsanwalt Michael Goller nicht nur in dieser Frage anderer Ansicht als Sporer. Goller vertritt im laufenden Verfahren den Geschäftsführer einer als "schwarzes Schaf" titulierten Kanzlei. Goller konzediert lediglich, dass jenes Beamtenduo, das für die steuerschonende Behandlung des früheren FC-Tirol-Geschäftsführers Robert Hochstaffl gesorgt hat und deshalb seit 12. Juni in Haft ist, Zugang zu Computerprogrammen besagter Kanzlei hatte. Diese "Gefälligkeit" zur Nutzung "für private Zwecke" sei missbraucht worden, meint Goller. Die in der Kanzlei beschlagnahmten Akten, Disketten und sonstiges Material würden 68 Firmen betreffen, mit ihrer Auswertung sei noch gar nicht begonnen worden. Bundessteuerinspektor Hermann Madlberger geht davon aus, dass die "Nach-Betriebsprüfungen" in insgesamt rund 100 Fällen etwa drei Monate in Anspruch nehmen werden. "Ein Wahnsinn" Von Sporer sieht Goller seinen Mandanten ungerechtfertigt vorverurteilt, das Verhalten des Kammerpräsidenten sei "ein Wahnsinn". Das von seinem Mandanten 1997 mitbegründete Unternehmen sei zuletzt bis März 2002 von einem "Vertrauensmann" geführt worden, nach "Auffassungsunterschieden" habe sein Mandant seither die Geschäftsführung wieder selbst übernommen. Unabhängig von diesem Unternehmen betreibe dieser auch noch eine zweite Steuerberatungskanzlei, die in die Affäre nicht verwickelt sei, erklärt Goller. Fünf Betriebsprüfer befinden sich noch in U-Haft - einer wurde am Montag bedingungslos entlassen, ein zweiter erlegte 100.000 Euro Kaution. (hs, APA, DER STANDARD, Printausgabe 7.8.2002)