Früher wurde das Wetter privat erforscht, von dicken Laubfröschen in Einmachgläsern etwa. Heute nutzen Forschungsinstitute Großcomputer mit Millionen Rechenoperationen in der Sekunde für die Klimaprognose. Im Herbst wollen Wissenschafter die Vorhersage nun aber in die Hände von Privaten legen. Denn auch den stärksten Großrechnern bereitet die Simulation künftiger Entwicklungen aufgrund der Komplexität des Klimasystems Probleme. Die Rechner des renommierten Max-Planck-Instituts für Klimatologie in Hamburg etwa benötigen, um die Klimaentwicklung der nächsten 150 Jahre durchzurechnen, ein halbes Jahr. Ihre Ergebnisse sind umstritten. Kritiker bemängeln Vereinfachungen angesichts der Vielzahl von Faktoren, Variablen und Algorithmen. Ihrer Ansicht nach übersteigt die Berechnung des Effektes der Wolken die Fähigkeit der Computer. Unterstützung erhoffen sich die Wissenschafter jetzt von den Nutzern des Internets. Im Projekt "climateprediction", einem Konsortium US-amerikanischer und britischer Forschungsinstitute, sollen die Computer möglichst vieler Klimainteressierter gleichzeitig verschiedene Modelle rechnen. Monte-Carlo-Methode Genutzt werden soll die so genannte "Monte-Carlo-Methode". Ein Klimamodell wird dabei zufällig - wie beim Roulette im Kasino - mit unterschiedlichen Voreinstellungen versehen - etwa zum Einfluss der Wolkenbedeckung auf die Temperatur. Tief stehende Wolken wirken wie ein Sonnenschirm und kühlen die Erde, während hohe Wolken wie ein Deckel die Wärme auf der Erde zurückhalten. Weil unklar ist, welcher Effekt überwiegt, werden die Computer mit unter-schiedlichen Szenarien gefüttert. Der Einfluss Tausender Klimaeinflüsse wird variiert. Die unterschiedlich eingestellten Modelle sollen zuerst das Klima der letzten 50 Jahre nachrechnen. Jene Modelle, die das tatsächliche Klima am besten nachbilden, sollen dann in den Großrechnern der Forschungsinstitute das Klima der Zukunft vorhersagen. Sowohl in der Versicherungsbranche als auch in den Naturwissenschaften findet die Monte-Carlo-Methode recht oft Verwendung. Allein die Klimavorhersage galt bisher als zu komplex. Selbst die besten Rechner bräuchten Jahrzehnte für die vielen verschiedenen Prognosen. Auf viele Rechner verteilt könnten sich nun aber die realistischsten Modelle schon nach einem Jahr herausstellen. Die Forscher hoffen auf mindestens 20.000 Teilnehmer. Diese lassen eine vollständige Klimasimulation auf ihren Computern ablaufen. Auf der Internetseite des Projekts (Webtipp) gibt's die Software dazu. Die Simulation soll andere Rechenoperationen nicht behindern, aber ständig im Hintergrund laufen. Beim Ausschalten werden Zwischenstände gespeichert. Die schnellsten PC sollen ein Klimamodell nach etwa einem halben Jahr durchgerechnet haben. Die Teilnehmer erhalten das Ergebnis der abschließenden Klimasimulation der nächsten 50 Jahre am Großrechner zugesandt - zum virtuellen Flug in die von ihnen vorhergesagte Zukunft. (Axel Bojanowski, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.8.2002)