Pjöngjang/Wien - In einem Dorf an der nordkoreanischen Küste hat die US-Außenpolitik am Mittwoch wohl eine ihrer größten Ironien erlebt: Während Nordkorea wegen geheimer Forschungen an Atomwaffen offiziell Teil der "Achse des Bösen" von Präsident George W. Bush ist, gab das in den USA ansässige internationale Staaten-Konsortium Kedo den Startschuss für den Bau eines von der US-Regierung mitfinanzierten Atomreaktors in Kumho an der Ostküste Nordkoreas. Zum offiziellen Baubeginn war auch Bushs Nordkorea- Beauftragter Jack Pritchard angereist, der ranghöchste Vertreter einer US-Regierung seit dem Besuch der frühren Außenministerin Madeleine Albright in Pjöngjang im Herbst 2000. Der Bau des 4,6 Milliarden Euro teuren Projekts sei ein Zeichen für die Ernsthaftigkeit der USA in ihrem Verhältnis zu Nordkorea, sagte Pritchard. "Es ist nun Zeit, dass wir dieselbe Art von messbaren Fortschritten bei den Verpflichtungen der Demokratischen Volksrepublik Korea sehen." Die Lieferung insgesamt zweier Leichtwasserreaktoren in Kumho ist Teil des "Vereinbarten Rahmenabkommens" ("Agreed Framework") von 1994 mit den USA - Stopp des Atomprogramms für Lieferung zivil zu nutzender Reaktoren - und fällt in eine Zeit großer diplomatischer Aktivität Pjöngjangs. Innerhalb einer Woche vereinbarten Vertreter des als erratisch geltenden Regimes ein hochrangiges Ministertreffen mit Südkorea Mitte August und setzten einen Termin für Normalisierungsgespräche mit Japan fest. Bush hingegen hatte nach seinem Amtsantritt im Jänner 2001 die Nordkoreapolitik seines Vorgängers Bill Clinton zunächst auf Eis gelegt, erklärte ein halbes Jahr später seine uneingeschränkte Bereitschaft zu Verhandlungen und stufte später in einer neuen Kehrtwende Pjöngjang zusammen mit Bagdad und Teheran als terrorunterstützendes Regime ein. Außenpolitische Berater der Bush-Regierung und ihr nahe stehende Politologen verkaufen diesen augenscheinlichen Zickzackkurs als Konzept. Die "Falken" - "Hawks" - im Kabinett zeigten im Fall Nordkoreas eine neue Art des Umgangs mit schwierigen Regimen, heißt es. Ebenso wie die Clinton-Regierung versuche die Bush-Regierung diese Staaten mit Vereinbarungen in die Pflicht zu nehmen; anders als die US-Demokraten legten die Republikaner aber die Hürde für eine "Belohnung" höher. Im Fall Pjöngjangs heißt das: verifizierbare Kontrollen des Atomprogramms und der Weitergabe von Technologie sowie konventionelle Abrüstung. Dass sich Washingtons Engagement nicht auszahlt und die Regime ihre Verpflichtungen gar nicht erfüllen werden, ist dabei erklärtermaßen einkalkuliert. "Hawk Engagement ist auch ein Weg, um Verbündete zu überzeugen, dass friedliche Strategien bereits versucht wurden - aber scheiterten", schrieb etwa der Politologe Victor D. Cha in Foreign Affairs. Die Koreapolitik soll somit ein Modell der neuen US-amerikanischen Außenpolitik in der Ära des Antiterrorkampfs werden und "Hawk Engagement" ihre Formel. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 8.8.2002)