Das muss keine Hitzehalluzination sein, denn die österreichischen Autobahnen verlaufen wassernah. Beispielsweise in Kärnten, wo die A2 den Wörther See entlangführt und eines der schönsten Bäder Österreichs liegt: das riesige Klagenfurter Strandbad, erbaut 1927. Friedrich Achleitners Architekturführer spricht von "monumentaler Großzügigkeit und kleinteiliger Flächennutzung", frei von "jenem technoiden Protz, der so viele neue Bäder unerträglich macht".
Fünf markante Bögen öffnen die zentrale, quadratische Eingangshalle, an die sich links und rechts zweistöckige Kabinentrakte mit Innenhöfen und Sonnenterrassen anschließen. Der ausgedehnte, baumbestandene Park zwischen Gebäude und See birgt 180 Kabinenhäuschen - Statussymbole der Klagenfurter Badestammgäste.
Vom Ufer führen drei parallele Holzstege weit in den See hinaus, und wer auf welcher dieser Brücken seinen Liege-, Röst- und Balzplatz hat, ist bei den Einheimischen ein von Kindheit an gepflegtes Ritual, an dem teilzuhaben dem Fremdling verwehrt bleibt. Aber der ist ohnehin nur auf kurze Kühlung aus, und die bekommt er nirgends so zeitökonomisch wie hier. Die Autobahnabfahrt ist keine drei Kilometer vom Parkplatz des Strandbads entfernt, und wer sich im Umkleidehäuschen am Weg zum Steg umzieht, kann nach Kopfsprung und hundert Tempi im Wörther See in gestoppten 28 Minuten erfrischt wieder Gas geben.
Nicht ganz so nah an der Autobahn, aber als Anlage vielleicht noch imposanter ist das Strandbad in Gmunden am Traunsee. Knapp zehn Kilometer sind es von der Abfahrt der A1 bis zum südlichen Ortsrand mit Parkplatz. Die langgestreckte Anlage, wie in Klagenfurt mit einer hohen Zentralhalle und symmetrischen Seitenflügeln, ist eine Stahlbetonkonstruktion und für Architekturkritiker Achleitner "fast in einem schlossartig barocken Sinn gelöst". Die Sonnenterrassen mit relingartigen Fronten erwecken "Assoziationen an Schiffsdecks".
Das Gmundner Strandbad, dessen Architekt Franz Geßner einer der bekanntesten Vertreter der Otto-Wagner-Schule war, wurde wie das Klagenfurter Bad 1927 errichtet, in einem für die österreichische Sportstätten-Architektur offenbar besonders fruchtbaren Jahr. Zwischen Gebäudetrakt und Traunsee erstrecken sich Liegewiesen und ein Kindersandplatz, über einen Holzsteg mit Liegepritschen erreicht man den offenen See, dessen Wasser um einige Grade kühler ist als das des Wörther Sees. Kühle vermittelt auch das dunkle Felstrapez des Traunsteins, der als eindrucksvolle Abschlusskulisse in das visuelle Konzept dieses Strandbads einbezogen ist. Ein "Erlebnisbad" mit Wasserrutsche, ohne die heute ein Schwimmbad anscheinend nicht mehr existieren kann, hält sich so diskret im Hintergrund, dass es die alte Anlage nicht besonders stört.