Stockholm/Helsinki - Europas Handybranche verabschiedet
sich mit zahlreichen Hiobsbotschaften von ihren Hoffnungen auf einen
raschen Boom durch die dritte Mobilfunk-Generation UMTS. Nach immer
neuen Ankündigungen von Massenentlassungen und aufgeschobenen
Investitionen forderte der Verband schwedischer Aktiensparer am
Donnerstag schon fast mit dem Mut der Verzweiflung zur Zeichnung
neuer Aktien des stark angeschlagenen Ericsson-Konzerns mit der
Begründung auf, "in vier bis fünf Jahren" könne das Unternehmen
wieder "normale Gewinne" erwirtschaften.
Reines Gift auf dem Weg dahin aber war all das, was gleichzeitig
als Begleitmusik aus anderen Unternehmenszentralen zu hören war. In
der Zeitung "Die Welt" kündigte der deutsche Chef des weltgrößten
Mobilfunk-Betreibers Vodafone, Jürgen von Kuczowski, am Donnerstag
den Aufschub des neuen UMTS-Netzes in Deutschland um ein halbes Jahr
an. Die Handy-Produzenten mit Nokia an der Spitze seien technisch
noch nicht ganz so weit, lautete die betont zurückhaltend formulierte
Begründung.
Klartext
Am Tag zuvor hatte der französische Konkurrent Orange in Schweden
nach Meinung von Analysten eher Klartext geredet, als das Unternehmen
von den Aufsichtsbehörden den Aufschub des UMTS-Starts gleich um drei
Jahre von 2003 auf 2006 begehrte und neben dem Mangel an geeigneten
Handys weitere Gründe nannte. "Die Nachfrage nach mobiler
Datenübertragung ist so gut wie nicht existent", hieß es im Schreiben
an die Post- und Teleaufsicht.
Auch den "unfassbaren Niedergang" der Finanzmärkte für
Telekommunikation sprach Orange offen an. "Eine harte Nuss für die
Behörden", schrieb die Wirtschaftszeitung "Dagens Industri" und
zitierte Experten mit der einhelligen Erwartung, dass für die anderen
drei schwedischen UMTS-Lizenzinhaber dieselbe Ausgangslage wie für
Orange bestehe. Vielleicht wolle Orange die Lizenz ja in Wirklichkeit
ganz loswerden, vermutete "Dagens Nyheter".
Kündigungen und Verluste
Bis zu dieser Konsequenz sind der spanische Telefónica-Konzern und
die finnische Sonera in Deutschland gegangen, die ihre deutsche
Lizenz zunächst nicht ausüben. 800 der 900 Mitarbeiter der
gemeinsamen deutschen UMTS-Tochter Quam werden wohl ihren
Arbeitsplatz verlieren. Sonera hat auch schon die vier Mrd. Euro als
Verlust abgeschrieben, die ohne konkrete Gegenleistung an die
deutsche Staatskasse allein für das Recht auf ein noch nicht
existierendes UMTS-Netz überwiesen wurden.
Über 100 Mrd. Euro hat die Branche insgesamt in Europa für derlei
Lizenzen gezahlt, mit Abstand am meisten in Deutschland und
Großbritannien. Schweden galt vor allem wegen der ehrgeizigen
Zeitplanung mit einem Ende 2003 fertigen landesweiten Netz als
Pionier. Gerade hier hat nun aber das große Bluten begonnen. Am
Mittwoch kündigten zeitgleich Quam die Entlassung fast aller
Beschäftigten, Nokia in Helsinki die Streichung von 900 Stellen in
der Netzwerk-Sparte und der vor allem an Siemens und Ericsson
liefernde Handy-Hersteller Flextronics die Entlassung von 530
Beschäftigten an. (APA/dpa)