Ökologie
Flucht auf Dächer und Bäume
Mit Hubschraubern und zum Teil mit Seilen mussten Menschen von den Dächern ihrer Häuser gerettet werden - Auflisten der Schäden beginnt
Perg - Vom Ufer des Kamp
aus, dort, wo bis Donnerstag
die Thurnberg-Brücke stand,
wirkte die Lage aussichtslos:
"Tun kann man im Moment
überhaupt nichts. Außer
vielleicht Geld für die Aufräumungsarbeiten auf ein
Konto einzahlen", sagte ein
Mann aus Kleinenzersdorf.
Allzu mächtig waren die
Wassermassen, die sich nach
anhaltenden Gewittern einen
Weg durch das Kamptal bahnten: "Innerhalb von 36 Stunden ist eine halbe Jahresmenge Regen gefallen", erläutert
Stefan Zach vom Stromlieferanten Energieverwertung
Niederösterreich. Kein Wunder, dass alle drei Kamptalstauseen übergingen.
Diese, so Zach, seien "rein
technisch für ein 5000-jähriges Hochwasser gerüstet". Das
aktuelle sei "ein hundertjähriges" - also hielten die Mauern.
Der Fluss jedoch setzte sich
über die Bauwerke einfach
hinweg und zog zum Beispiel
Willi Dungls Chinazentrum in
Gars stark in Mitleidenschaft.
Doch es waren vor allem die
Ortschaften am Unterlauf des
Kamps, in denen sich die Lage
am Donnerstag zuspitzte. In
Zöbing mussten sich die Menschen vor den Fluten auf Dächer und Bäume retten. Das
Wasser, so erzählten sie, sei so
rasch gekommen, dass sie
kaum Habseligkeiten sammeln hätten können. Bis Donnerstagnachmittag bargen
Hubschrauber 130 Opfer.
"Mein Haus ist jetzt eine Insel"
"Mein Haus ist jetzt eine Insel", sagt der Wiener Softwareunternehmer Thomas Stern,
und er hatte noch Glück: Minuten bevor er Mittwoch gegen 21
Uhr sein Haus an der
Aist aufgab, hatte er die Türen
noch mit PU-Schaum und Silikon abzudichten versucht -
zu dieser Zeit war die Aist,
sonst ein wenige Meter breites
Flüsschen, nur noch zehn
Zentimeter unter der Gartenkante gestanden. Die Straße
durch das Joseftal "existiert
nicht mehr", berichtete er
Donnerstag: "Die Aist ist jetzt
40 Meter breit."
Insgesamt standen in Niederösterreich 5000 Feuerwehrleute und 300 Soldaten
im Einsatz. Landeshauptmann
Erwin Pröll (VP), ins Hochwassergebiet geeilt, versprach
prompte Hilfe vom Katastrophenfonds. Ein Großteil der
Schäden ist nicht durch Versicherungen gedeckt.
In Oberösterreich entspannte sich die Lage. Die Donau in
Linz zeigte sinkenden Pegelstand, zuvor ging auch der
Wasserstand des Inn zurück.
Schadeauflisten
Nun listen die Betroffenen
die Schäden auf. Etwa im Verkaufsraum der Fleischerei
Amstler in der Bezirksstadt
Perg, die an Donnerstag an einen Laden in Nordkorea erinnert. In der Vitrine liegen nur
einige Hartwürste, ein Stück
Speck und etwas Extrawurst.
"Wir haben seit der Nacht keinen Strom mehr" erklärt eine
Verkäuferin die Tristesse.
"Hinten ist das Wasser bis
zum Plafond gestanden, auch
herinnen war aller überschwemmt", deutet die Frau
auf den nassen Boden. Ursache der Misere ist die Naarn,
unter normalen Umständen
ein langsam dahinfließendes,
etwa knietiefes Gewässer.
Durch die gewaltigen Regenfälle ist der Fluss jedoch
außer Rand und Band geraten.
Bei einer Brücke verfing sich
Treibholz und bildete einen
Damm, das Wasser schoss aus
dem natürlichen Bett und
überflutete Pergs Innenstadt.
Schlimmer als 1954