Eine Vision, die nicht zwangsläufig auf Kosten von Natur und Landschaft gehen muss. Die Debatte ist vorprogrammiert.

Flughäfen sind Knotenpunkte des Lebens, in hohem Maße inszenierte, symbolträchtige Prestigeobjekte eines Lebens, das sich zwischen Abflug und Landung abspielt. Meist sind Flughäfen das Erste, was der Reisende von einem Land sieht, eine Visitenkarte - und die Bemühungen der Flughafenbetreiber, dem Passagier diese Momente so komfortabel wie möglich zu machen, finden sichtbaren Ausdruck in der Architektur.

Den Katalogtexten zur Ausstellung "World Airports - Weltflughäfen" im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt am Main ist ein Zitat von Andy Warhol aus dem Jahr 1977 vorangestellt - und Warhols Lob der Flughäfen war grenzenlos: "In Flugzeugen und am Flughafen gibt es den besten Essen-Service, die besten Toiletten, die beste Lautsprecheranlage, die besten Förderbänder, die besten Grafiken und Farben, die besten Sicherheitskontrollen, die beste Aussicht, die besten Parfümgeschäfte, die besten Angestellten und den größten Optimismus." Die Frankfurter Ausstellung kommt zur richtigen Zeit, denn die hochaktuelle Diskussion um die neuerliche Erweiterung des Frankfurter Flughafens verschafft ihr Brisanz - und Publikum.

Doch in den ersten Räumen des verschachtelten Museumsbaus feiert die von der Fraport AG maßgeblich geförderte Schau mit Fototafeln, Grund- und Aufrissen vor allem die Bauhistorie: Den Gebrüdern Wright diente noch eine einfach Wiese als Landeplatz, ihr Hangar war aus Holzbrettern gezimmert, denn erst mit dem Bedürfnis nach Zuverlässigkeit und Komfort entwickelte sich eine genuine Flughafenarchitektur.

Doch schon der 1909 eröffnete erste deutsche Flugplatz Johannisthal im Südosten Berlins erfüllte dieses Repräsentationsbedürfnis: Stehplätze für das einfache, schaulustige Volk, Tribünen für die Bürger - Flugzeugwerke, Fliegerschulen und die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt gruppierten sich nach und nach um das spektakuläre erste Flugfeld. 1919 eröffnete in Königsberg der erste Passagierterminal, zehn Jahre danach das elegante im Sinne des Neuen Bauens von Hans Wittwer entworfene Flughafenrestaurant von Halle/Leipzig mit seiner feingliedrigen, nach allen Seiten transparenten gläsernen Vorhangfassade - die auffällige Ähnlichkeiten mit dem Dessauer Bauhaus erkennen lässt.

Berlin Tempelhof (1936-1939), Aeroporto Santos Dumont in Rio de Janeiro (1937-1944), John F. Kennedy International Airport (1956- 1962), Aéroport Charles de Gaulle (1964- 1974), Flughafen Berlin-Tegel (1974-1982) und Stansted Airport (1981-1991) waren Schlüsselbauten der modernen Flughafenarchitektur - Zeugnisse von Fortschrittsoptimismus und bedeutende Beispiele ihrer jeweiligen Architekturepochen.

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den Bauten der Gegenwart: Mit den neuen Flughäfen von Kuala Lumpur (Kisho Kurokawa & Associates), Hong Kong (Foster & Partners), Sevilla (Rafael Moneo), München (Hans-Busso von Busse & Partner), Washington (Cesar Pelli & Partner), Paris (Paul Andreu), Bankok (Murpy & Jahn) und Berlin (von Gerkan, Marg & Partner) werden acht Architekturprojekte und ihre Architektenteams detailliert vorgestellt - wie bei einer Architekturausstellung üblich vor allem mit Modellen, Fotografien, Luftaufnahmen und Architekturzeichnungen. Allen neuen Projekten gemein ist die Verve und das Pathos, mit der die Architekturaufgabe gemeistert wird: Flughäfen sind heute urbane, dynamische Zentren, die von Menschenströmen durchlaufen werden - in Frankfurt am Main sind es jeden Tag 140.000 Gäste.

Kleine und große Unternehmen aus allen Bereichen des Handels haben heute ihren festen Platz in diesem Architektursystem, das aus Passagierterminals, Flugsteig, Gepäckförderanlagen, Flugzeugterminals, Kontrolltürmen, Hangars, Lagerhallen für Luftfracht, Parkhäusern, Hotels, Bahnhöfen und Verwaltungsgebäuden besteht.

Die Faszination Zukunft regnet glitzernde Sterne in der Frankfurter Schau - und kaum jemand vermag abzusehen, wo das alles enden mag. Auch Kurator Manuel Cuadra nicht: "Nach der Geschwindigkeit zu urteilen, mit der sich Flughäfen in der Gegenwart entfalten, stehen wir erst am Anfang eines Prozesses, an dessen Ende der Flughafen wohl als Kern der Regionalstadt des 21. Jahrhunderts steht." Flughäfen sind heute vollkommen abgeschlossene Gebilde, die sich vor allem durch ihren präzisen Funktionalismus und ihre unbedingte Ortlosigkeit auszeichnen.

Es gibt kaum eine den kulturellen Traditionen verpflichtete Flughafenarchitektur, wenn doch, sei sie schlecht, meint etwa der deutsche Architekt Helmut Jahn in einem Gespräch mit Cuadra, das in der Ausstellung auf einem Monitor zu sehen ist. Angesprochen auf den Vorwurf der kulturellen Heimatlosigkeit seines Flughafenprojekts in Bangkok ist sich Jahn ganz sicher: "Hochhäuser, die wie Pagoden aussehen, schaffen keine Kontinuität, sie sind nur eine Parodie der Tradition."

Die Diskussion über die Idee vom "Flughafen als Stadt" wird eine der wichtigsten Architekturdebatten der nächsten Jahre sein - das ist der Grundtenor der Frankfurter Ausstellung. Flughäfen als 24-Stunden-Städte mit multifunktionalen Räumen sind ein Traum der Flughafenbetreiber und Architekten, ein Traum, der nicht zwangsläufig auf Kosten von Natur und Landschaft gehen muss, wie Architekturprofessor Ben van Berkel in seinem Katalognachwort schreibt. "Deep Planning", "Tiefenplanung", "Verdichtung" und "Funktionsüberlappung" sind die neuen Zauberworte der Debatte. Die Frankfurter Ausstellung bilden hierfür eine erste Diskussionsgrundlage. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.8.2002)