In die aktuellen Schlagzeilen ist Turkmenba¸si, der Häuptling der Turkmenen, mit einer für ihn typischen Aktion gekommen. In aller Bescheidenheit schlug er diese Woche vor, dem Jänner einen neuen Namen zu geben: Turkmenba¸si, wie auch sonst. So heißen bereits eine Teesorte in Turkmenistan, ein Wodka, eine Stadt, viele, viele Straßen und einiges andere. Und der größte Teppich der Welt (301 m), fertig gestellt vorigen Herbst, heißt "Das goldene Zeitalter des großen Saparmurat Turkmenba¸si". Dieses dauert seit 1990, als er zum Präsidenten des Obersten Sowjets der zentralasiatischen Sowjetrepublik Turkmenistan aufstieg. Nach der Unabhängigkeit blieb Saparmurat Niyasow dem Land und seinen 4,5 Millionen Einwohnern als Präsident erhalten. Sein erstes Wahlergebnis von gut 98 Prozent konnte er später auf 99,9 verbessern, dann bat ihn das so genannte Parlament auf Knien, doch die Präsidentschaft auf Lebenszeit anzunehmen. Auf seine Turkmenen blickt er nicht nur aus Hunderten Plakaten liebevoll herab (sie zeigen ihn teilweise mit väterlich grauem Haar, während seines mittlerweile wieder pechschwarz ist); auch eine auf einem Denkmal platzierte, zwölf Meter hohe, vergoldete Statue, die sich der Sonne nach um die eigene Achse dreht, erfreut im neuen, marmordominierten Zentrum Ashghabads seine Untertanen. Die können sie statt Oper, Ballett und Zirkus bewundern, die verboten wurden, weil sie dem Nationalcharakter nicht entsprechen. Mit anderen "Reformen" lässt es sich schwerer leben. Die Pflichtschulzeit wurde gekürzt, das Curriculum erschöpft sich im Wiederkäuen seiner "Ruhnama" (Geistesgeschichte), 400 Seiten bizarrster historischer und philosophischer Einsichten des Präsidenten, der - arme Turkmenen - auch Gedichte schreibt. Auch in allen Ämtern gibt es "Ruhnama"-Stunden. Die Mischung zwischen Verrücktheit und Schlauheit des im Waisenhaus aufgewachsenen und heute edelsteinberingten 62-Jährigen, dessen (nach einigen Berichten jüdische) Frau und Kinder ihr Heil im Ausland gesucht haben, wäre ganz amüsant, würde sie nicht sein Land aller Entwicklungschancen berauben. Die Opposition wird unterdrückt und vertrieben, Investoren, die Turkmenistan mit seinen weltgrößten Erdgasvorkommen durchaus anziehen würde, schreckt die Unberechenbarkeit Niyasows ab. So bleibt Turkmenistan von Russland abhängig. Der Turkmenba¸si selbst hat laut Gerüchten ein Privatkonto bei der Deutschen Bank, mit einer kleinen Putschvorsorge von zwei Milliarden Dollar. Nicht ganz ungeschickt ist seine Neutralitätspolitik, die Turkmenistan aus den Afghanistan-Wirren weitgehend herausgehalten hat - was ihm wiederum US-Lob einbringt. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.8.2002)