Wir sind dagegen. Mit diesem abgestandenen Witz pflegt man in Redaktionen Meinungsäußerungen zu Wetterphänomen für sinnlos zu erklären. Lawinen, Hochwasser - wir sind Opfer der Naturgewalt, was soll einer da schon für eine Meinung haben? Richtig ist: Wir haben ausreichend Anlass, uns damit auseinander zu setzen.Fangen wir mit der Opferrolle an: Wenn es zwei Tage ohne Unterlass regnet, kann man sich dem nicht entziehen, und irgendwann kommt dann halt das Wasser bei der Tür herein. Ein Schicksalsschlag, könnte man meinen. Für den einzelnen Siedler, dem es gerade eben das Kellerinventar rausgespült und die neue Küche demoliert hat, stimmt das auch. Im größeren Zusammenhang sieht die Welt anders aus: Wo soll das viele Wasser auch hinrinnen - Asphalt und Beton, wo früher Wiesen waren, das Fluss- oder Bachbett ist auch längst zugepflastert. Auf diese Weise haben wir Baugrund geschaffen. Versiegelte Flächen nennen das die Fachleute. Es lebt sich bequem auf den versiegelten Böden, so angenehm, dass wir gar nicht auf den Gedanken kommen, welche Probleme wir uns damit an Schlechtwettertagen einhandeln. Und selbst wenn: Wüssten wir einen Ausweg? Widmen wir uns also der Frage, ob das Wetter schlechter geworden ist. Richtiger gefragt: Gibt es mehr Schwerwetterereignisse? Alle reden von der Klimaveränderung, da liegt das doch nahe, und man kennt es aus eigener Anschauung: So schlimm war's früher nicht - die Meteorologen sollen uns nur kommen mit ihren Statistiken, dass alles schon einmal da war. Tatsächlich gehen die Klimaforscher längst von einem Klimawandel aus. Prognostiziert wurde unter anderem: Hält der Trend zur Erwärmung an (und das vergangene Jahr war weltweit das zweitwärmste) oder verstärkt sich noch, müssen wir uns im Sommer auf Hitzewellen gefasst machen und gleichzeitig mit extremen Niederschlägen rechnen, quasi tropische Gewitter werden auf uns niedergehen. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann diese auch tragen - und umso mehr kommt später runter; das mit dem starken Wind hängt damit zusammen. Und so ist es ja auch gekommen. Wir sind aber noch nicht am Ende der Reise: Im vergangenen Jahrhundert erwärmte sich der Globus um weniger als ein Grad. Wenn es so weitergeht, wie es derzeit läuft, schaffen wir in diesen hundert Jahren drei, vielleicht fünf Grad plus. Viel größer ist der Temperaturunterschied zwischen heute und der letzten Eiszeit auch nicht. Was wäre, wenn? Das Eis würde schmelzen, der Meeresspiegel steigen, die Heimat von Millionen Menschen würde im Meerwasser versinken. Und was geschieht tatsächlich: In der Antarktis brechen die Eisberge ab, der Beginn des sibirischen Frühlings verschiebt sich, die Alpengletscher werden kleiner. Vielleicht beobachten wir ja nur eine Episode in einem Langzeitprozess, und alles renkt sich wieder ein, ehe es zur Apokalypse kommt. Darauf verlassen sollte man sich besser nicht. Extremereignisse gab es zwar auch ohne Klimawandel schon, die Wahrscheinlichkeit, dass es mehr werden, steigt jedoch sicher, wenn wir negieren, wie die Welt versaut wird. Was können freilich die Menschen im Waldviertel, im Mühl- und Mostviertel dafür, dass sich die Atmosphäre aufheizt? Schuld sind doch eher die Amerikaner, die so viel mehr fossile Energie als andere verbrauchen, die Chinesen, die auf Teufel komm raus ihr Land modernisieren, oder sonst wer. Europa bemüht sich doch, und waren wir Österreicher nicht Katalysator-Vorreiter, und nützen wir nicht schon seit je die Wasserkraft zur Stromproduktion? Über unseren fehlenden Beitrag zu den Kioto-Zielen müssen wir ja jetzt nicht reden. Vergessen wir's, ohne nachhaltige, global wirksame Änderungen der Lebensweise werden unglaubliche Unwetterbilanzen zu ziehen sein. Die aktuellen Hochwasser sind dagegen nur so etwas wie eine Gewinnwarnung. (DER STANDARD, Printausgabe 10./11.08.2002)