Kirchberg - In Trattenbach ein (cholerischer) Volksschullehrer, in Cambridge ein (unwilliger) Professor: Seit 25 Jahren versammeln sich in Kirchberg am Wechsel nahe Trattenbach beim internationalen "Ludwig Wittgenstein Symposion" die Anhänger. Manchmal führte dies - bedingt durch das oft sehr mathematisch bestimmte Werk - zu Spezialisierungen, die kaum noch Zugang ließen. Nicht aber heuer, wo man mit dem Thema "Person" und ihren philosophischen, psychologischen und juristischen Vernetzungen auf Interdisziplinarität setzt:
Vor allem seit den 30er-Jahren erschließt Wittgenstein in bohrender Strenge immer weitere Bereiche, Lebenswelten und Personenbegriffe: "Ich gehe in der Wissenschaft nur gern allein spazieren", notiert er 1929, baut dann aber, wie in inneren Streitgesprächen, eine Philosophie, die um die Grenzen von Person, Identität und die Unterscheidung von "ich" und "er" kreist (letztere macht er u. a. an Überlegungen zur Schmerzempfindung deutlich).
Er denkt nach über Subjektivität des "Gesichtsraums" und, mathematisch, über Unendlichkeit, über die Sprachen der Physik und diejenige der Phänomenologie. In diesem Umfeld sind die ersten Vorträge am Montag zu sehen, etwa zu "Person und Zeit. Eine Auseinandersetzung mit Paul Ricoeur und Marcel Proust" (14 Uhr).
Eigene Workshops befassen sich bis zum Samstag mit "Menschenwürde und das Konzept der Person" und mit Neurobiologie (ein Vortrag über "Neurobiologische Aspekte personaler Identität" am Donnerstag): Was wäre, so spielte Wittgenstein durch, wenn für eine Person keine Kontinuität der Erinnerungen und des Charakters mehr gegeben ist, was wäre in einer Welt, in der Dr. Jekyll und Mr. Hyde normal wären? (rire/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2002)
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