Wäre nicht Wahlkampf in Deutschland, dann hätte ein Großteil der Vorschläge der so genannten Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes gute Chancen, umgesetzt zu werden. Denn es herrscht allgemeiner Konsens unter den Parteien, dass die Effizienz bei der Arbeitsvermittlung verbessert werden muss und Arbeitsunwillige mit finanziellen Einbußen rechnen müssen. Genau dazu hat die Kommission konkrete Vorschläge erarbeitet. Aber auch gute Ideen haben es in Wahlkampfzeiten schwer, sich durchzusetzen, wenn die Vorschläge von der politischen Konkurrenz kommen oder von dieser zumindest gepusht werden.Zu durchsichtig ist der Versuch der SPD, damit auf Stimmenfang zu gehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder will damit signalisieren, dass er reformwillig ist. Warum er in den vergangenen vier Jahren nicht dazu fähig war und die Zahl der Erwerbslosen auch im Sommer wieder über der Vier-Millionen-Marke liegt, diese Frage spart Schröder aus. Legt man seinen eigenen Maßstab an - wenn er die Zahl der Arbeitslosen nicht unter die Zahl von 3,5 Millionen drücke, habe er nicht das Recht, wieder-gewählt zu werden, hat Schröder versprochen -, hat der Amtsinhaber eigentlich keine zweite Chance verdient. Sein Herausforderer Edmund Stoiber macht es sich wiederum zu leicht, indem er die Vorschläge als "Gequatsche" abtut. Manche Vorstöße wie die Milliardenanleihe für Ostdeutschland, für die auch Schwarzgeld eingesetzt werden soll, mögen finanzpolitisch illusorisch sein. Aber eine intensive Debatte über ihre Anregungen hat die Kommission verdient und können die Arbeitslosen zu Recht verlangen. Denn es sind nicht die Arbeitslosen des jetzigen oder vorigen Kanzlers, sondern es ist ein Problem für die gesamte deutsche Gesellschaft. (DER STANDARD, Printausgabe 13.8.2002)