Wien – Der Homosexuellen-Paragraf 209 des Strafgesetzbuches ist ab Mittwoch außer Kraft. Ihm folgt der neue Paragraf 207 b, der den "Missbrauch von Jugendlichen" regelt und geschlechts- und beziehungsneutrale Strafbestimmungen mit zwei Altersgrenzen – 16 und 18 Jahre – bringt. Demnach können mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug Erwachsene bestraft werden, die mit unter 18-jährigen Sex gegen Entgelt haben bzw. eine Zwangslage unter 16-jähriger ausnutzen. Das Ausnutzen mangelnder Reife bis zu 16-jähriger durch altersbedingte Überlegenheit ist mit bis zu einem Jahr Haft bedroht.

Kritik an "schwammiger Verschärfung"

Der nun auslaufende Paragraf 209 hatte für gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern ein Schutzalter von 18 Jahren vorgesehen, unter Frauen 14 Jahre. Der Vorsitzende der Initiative Sozialismus&Homosexualität (SoHo), Günther Tolar, zeigte sich zwar erfreut über das Fallen des 209-er, doch trete gleichzeitig mit dem 207b "jene schwammige Verschärfung des Sexualstrafrechts für alle hetero- und homosexuellen Jugendlichen in Kraft, die von ÖVP und FPÖ ohne Begutachtungsverfahren und ohne die Einholung von Expertenmeinungen noch schnell vor der Sommerpause durch den Nationalrat gepeitscht wurde".

"Letzte Diskriminierung beseitigt"

Auf Grund eines VfGH-Erkenntnis hatte der Nationalrat am 10. Juli 2002 einstimmig die Abschaffung des Par. 209 StGB beschlossen, der Bundesrat am 25. Juli 2002 keinen Einspruch erhoben. Damit ist der Paragraph 209 am Tage nach Veröffentlichung des Nationalratsbeschlusses im Bundesgesetzblatt endgültig abgeschafft und "die letzte diskriminierende Sonderbestimmung gegen Homosexuelle aus dem österreichischen Strafrecht beseitigt", so Tolar. Für alle Fälle, die in erster Instanz noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, gelte nun bereits die neue Rechtslage, also das einheitliche Sexualstrafrecht für alle hetero- und homosexuellen Jugendlichen.

Garantie von Böhmdorfer gefordert

Vom Justizministerium fordert die SoHo die Garantie, dass es zu keinen neuen Anklagen oder zu Verurteilungen nach Par. 209 StGB kommt, beispielsweise in den noch anstehenden 209-Verfahren in zweiter Instanz. Wenn bereits Haftstrafen nach Par. 209 StGB verhängt wurden, dürfe es zu keinem Haftantritt mehr kommen. Ferner sollen Verurteilte, die sich bereits wegen Par. 209 in Haft befinden, durch rasche Haftprüfungsverhandlungen oder durch Begnadigung des Bundespräsidenten sofort freigelassen werden. (APA)