München - "George W. Bush ist ein geopolitischer Versager. Er hat sich von einer Clique Falken in eine Situation drängen lassen, die ihn praktisch nötigt, in den Irak einzumarschieren: eine Situation, aus der er sich wohl nicht mehr befreien kann", analysiert am Dienstag die "Süddeutsche Zeitung". Auch Bush werde "bald aufgehen, dass er sich damit schwer geschadet, vielleicht sogar politisch tödlich verwundet hat". "Ein Krieg gegen den Irak wird mit Sicherheit vielen Menschen das Leben kosten, irakischen, aber auch amerikanischen Menschen, weil von vornherein absehbar ist, dass chirurgische Luftangriffe aus großer Höhe in diesem Fall militärisch nicht ausreichen werden. Die Invasion des Irak wird in einem Ausmaß zum Aufruhr in der arabisch-islamischen Welt führen, wie man ihn dort bisher noch nicht erlebt hat. Die anderen arabischen Führer mögen Saddam Hussein zwar überhaupt nicht, aber ihre Bevölkerungen werden ein Vorgehen nicht hinnehmen, welches sie als unprovozierten Angriff auf einen arabischen Staat ansehen. Den arabischen Staatschefs lässt diese Zwangslage nur die Wahl, auf der Welle des Aufruhrs mitzureiten oder unterzugehen. Im schlimmsten Fall kann ein Angriff auf den Irak kann sogar zum Einsatz von Nuklearwaffen führen, die, einmal entfesselt, künftig kaum wieder zu illegalen Kriegsmitteln erklärt werden können." "Wie sind wir in diese katastrophale Sackgasse hineingeraten? Wir müssen mit der Tatsache beginnen, dass die Vereinigten Staaten weit weniger mächtig sind, als sie selbst und große Teile der Welt glauben. Die Hegemonie der USA befindet sich seit rund dreißig Jahren im Niedergang. (...) Auch noch so überlegene militärische Ressourcen nützen einem wenig, wenn einem für ihren Einsatz Fesseln auferlegt sind. Drei Faktoren behindern zumindest den Einsatz im großen Stil: Man kann sich ihn angesichts der eigenen geschwächten Wirtschaft immer weniger leisten; noch immer belastet das Vietnam-Trauma nicht nur die amerikanische Bevölkerung, sondern auch die Militärs; und schließlich wächst in Europa die Unlust, die militärischen Abenteuer der USA vorbehaltlos zu unterstützen. Nichtsdestoweniger sieht es so aus, als sei eine amerikanische Militäraktion gegen den Irak keine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann". "Doch die Hegemonie der USA ist nicht mehr mit der früheren Vormachtstellung vergleichbar, dem Anschein der letzten Jahre zum Trotz. Schon Machiavelli wusste, dass es niemals in erster Linie auf die Streitkräfte ankommen darf: Wenn das alles ist, was du hast, deutet man es eher als ein Zeichen von Schwäche als von Stärke, wenn du sie einsetzt, und es wird dir schaden. Eindeutig ist, dass zur Zeit eigentlich niemand in der Welt außerhalb der USA einen Einmarsch in den Irak unterstützt. Es gibt, um genau zu sein, nur zwei bemerkenswerte Ausnahmen: Israel, das Bush anfeuert, und Großbritannien, oder eher Premierminister Tony Blair, der erklärt: 'Nichts tun ... ist keine Option.' (...) Trotz allem, es wird zum Einmarsch kommen, nur der Sieg wird schwer zu erringen, wenn nicht gar unmöglich sein. Gut möglich, dass uns ein zweites Vietnam bevorsteht. Denn genau wie damals wird sich auch dieser Krieg in die Länge ziehen - mit unüberschaubaren politischen Kosten." (APA)