Till Brönner
Blue Eyed Soul
(Verve/Universal)

Foto: Verve/Universal
Wien - Wenn jemand zu ihm kommt und schwärmt: "Till, ich höre deine Musik gerne vor dem Schlafengehen", dann droht der Junge aus Deutschland nicht mit Prügeln. Eher überkommt Trompeter Till Brönner das Gefühl, mit seiner Musik punktgenau getroffen zu haben, ohne sich als Richard Kleidermann des Jazz fühlen zu müssen. "Man wird eigentlich für das bezahlt, was man nicht spielt", sagt er und meint damit Reduktionismus, ein Beschränken auf das Wesentliche. Das ist witzig, weil sehr smart. Denn in der Tat bestand und besteht das Grandiose wirklicher Genregrößen wie Sonny Rollins oder Miles Davis in der Fähigkeit, mit ganz wenigen Noten alles zu sagen. Waren es bei ihnen zumeist ästhetische Gründe, die ihre Aphorismen erzeugten, mischen sich bei Brönner indes geschäftliche dazu. Hinzu kommt sein Faible für dezente Pop-Jazz-Fusion, die seine Musik dann als akustische Begleiterscheinung von erquickenden Lounge-Aufenthalten wirken lässt. So ist Brönner der ideale, weil pflegeleichte Firmenliebling in einer Zeit, da sogar Michael Jackson über die CD-Branche schimpft, in einer Zeit, die mit Individualisten wenig anzufangen weiß und Jazz als ein Synonym für Unverkäuflichkeit betrachtet. Brönner hat Glück. Er verkauft jene Crossover-Notstrategie als Tugend der Weltoffenheit und wirkt dabei irgendwie integer. Wie ein Popmusiker, der zufällig eine Jazzausbildung genoss. Was sich der 30-Jährige ausdenkt, sind zumindest smarte Konzeptalben. Chattin' with Chet war eine Wellnessclub-kompatible Reminiszenz an den Jazztragöden Chet Baker; nun reüssiert er mit Blue-Eyed Soul , einem unauffällig tönenden Drum'n'Bass-Jazz-Verschnitt . Die Ideen sollen auch am Pool und im Schlafzimmer funktionieren. Und Brönner bestätigt das, ohne rot zu werden. Hat er nicht mit Ray Brown und Peter Herbolzheimer bewiesen, dass er auch den Normaljazz beherrscht? Und hat er, bitte schön, nicht auch Hildegard Knef produziert?

Klar kommt er seiner Firma etwas entgegen: "Aber ich frage mich schon immer, ob das wirklich noch ich bin, der das macht. Ich verstehe Leute wie Albert Mangelsdorff nicht, die erbost meinen, in meinem Alter hätten sie die Angebote, die ich bekomme, abgelehnt. Was zählt, ist, dass die Musik die Menschen, die sie hören, nicht nervt. Stress muss man sich nicht noch kaufen!"

Klingt etwas beleidigt. Aber wer auf der Trendwelle des Wellness-Jazz reitet, kann auf angenehme Art und Weise beleidigt sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.8.2002)