+ + + PRO von Ljubisa Tosic Ja, ich weiß, dass meine Zeit abläuft, dass der Raum, den ich gefahrlos einnebeln kann, sekündlich kleiner wird. Ja, es wird der Tag kommen, da wird bei mir die Tür eingetreten werden, und es wird mich die Tschik-Geheimpolizei in Handschellen gelegt und abgeführt haben, denn ich werde mich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht haben: Ich werde es gewagt haben, in meinen eigenen vier Wänden gepafft zu haben. Bis zum Erreichen dieser totalitären Zustände, bis also nicht einmal ich mehr meine eigene Raucherzone sein werde dürfen, behalte ich mir jedoch vor, eine wohlig wärmende Wolke um mich herumzutragen, eine Art zweite Haut, wobei jede Beschwerde ("Du Stinker!") auf mein Verständnis stößt und das Ausdämpfen des Glücksmachers nach sich zieht. Die Grenzen meiner Rauchfreiheit sind ja dort erreicht, wo das Leben anderer bedroht wird (es gibt natürlich Ausnahmen). Denn als nichtinhalierender Paffer, also als mein eigener Passivraucher, weiß ich, was das bedeutet. Aber im Hotel, meinem verlängerten Wohnzimmer! Keine Chance. Ich qualme um mein Recht auf Privatsphäre mit einer Kettenraucher-Konsequenz, die Feueralarm auslösen kann - das Neutapezieren der Zimmer ist eh im Preis inbegriffen. Das hält auch das Personal in Schwung, und mir hilft es, die Zeit zu vertreiben, denn fern der Heimat kommt man schon in Grenzsituationen. Einsamkeit. Schlechtes TV-Programm, Wehmut: Daheim ist es ja doch am verrauchtesten. Dann zündet man sich eine an. Und noch eine. Und ist flugs vom Sirenenhupen und Hotelpersonal umgeben, und wie ausgelöscht ist die Einsamkeit.
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- - - CONTRA von Karl Fluch Es gibt viele Dinge, die man in einem Hotelzimmer tun kann. Sich stundenlang den Pornokanal reinziehen. Zum Beispiel. Oder den Inhalt der Hausbar verkosten und anschließend den unbenutzten Satz Handtücher einsacken. Die Visa-Card wird's schon richten. Man kann aus dem Briefpapier Flieger falten und sie aus dem Fenster schicken, oder, wenn einem mehr nach Rock'n'Roll-Feeling zumute ist, die Glotze als Wurfgeschoss testen. Alles schon da gewesen. Wem das gegen die Erziehung geht, der kann die Zimmer-Bibel lesen. Na ja. Lustiger ist da schon den Neureichen raushängen zu lassen: Also ständig auf Extrawürschteln pochen und dafür kein Trinkgeld geben. Alles Klassiker des schlechten Benehmens. Woher ich das alles weiß? Hab' ich irgendwo gelesen. Aber das sind ephemere Sünden. Das Qualmen in einem Hotelzimmer rächt sich hingegen am Verursacher selbst. Dauerhaft. Die kontaminierten Vorhänge verbreiten ständig Mief. Die vergilbten Wände erinnern an den eigenen Mageninhalt. Gelbe und pickige Schichten am Telefon lassen die Hand daran festkleben. Der Gang aufs Häusl ist geteert, und das Erwachen erscheint einem, als hätte man im Aschenbecher übernachtet. Rauchen in Zimmern, in denen man auch schläft, ist ein Schuss in den eigenen Lungenflügel. Glauben Sie mir, der Weg dieser Erkenntnis ist gepflastert mit Auswurf und Kippen aller Marken. (derStandard/rondo/16/8/02)