Kunst
"Skandalöse Zustände" in Herculaneum
UNESCO-Denkmalpfleger warnen: Kulturerbe weltweit in Gefahr
Berlin - Tausende von Denkmälern und historischen
Kulturbauten sind weltweit durch politische Konflikte, Plünderungen
und Massentourismus bedroht. Zu den akut gefährdeten Stätten gehören
die Ruinen der antiken Stadt Herculaneum am Vesuv, heißt es im
diesjährigen Weltreport des Internationalen Rats der UNESCO für
Denkmalpflege (ICOMOS). An der archäologischen Attraktion in
Süditalien herrschten "skandalöse Zustände", sagte ICOMOS-Präsident
Michael Petzet am Mittwoch in Berlin. Ungehindertes Regenwasser
Weite Teile der im Jahr 79 nach
Christus von den Lava-Strömen des Vesuvs begrabenen Stadt seien
schutzlos der Witterung und Beschädigungen durch Besucher ausgeliefert.
Die Touristen können nach Angaben von Petzet ungehindert über die
kostbaren Mosaikböden laufen und die römischen Fresken berühren.
Schutzdächer seien teilweise eingestürzt, das Regenwasser ergieße
sich ungehindert über das antike Gemäuer. Bereits im Jahr 2000 hatten
die UNESCO-Denkmalpfleger wegen des ebenfalls ruinösen Zustands des
benachbarten Pompeji Alarm geschlagen.
Lebensgefahr im Bamiyan-Tal
Auch im Bamiyan-Tal in Afghanistan, wo die Taliban-Regierung im
März 2001 die große Buddha-Statue ungeachtet des internationalen
Protests gesprengt hatte, herrscht den Angaben zufolge Chaos. Zwar
seien größere Teile der einst 50 Meter großen Figur noch als
"tonnenschwere Fragmente" relativ gut erhalten, auch sei ein
Wiederaufbau technisch möglich, das gesamte Areal müsse jedoch wegen
Einsturzgefahr sofort gesichert werden. "Die Lage ist
lebensbedrohlich", sagte Petzet. Die Altstadt von Kathmandu in Nepal
sei durch den Tourismus ebenfalls gefährdet. Viele Gebäude, die unter
UNESCO-Schutz standen, seien während der Unruhen nach der Ermordung
der Königsfamilie zerstört oder geplündert worden.
Von Äthiopien bis Berlin
Äußerst gefährdet ist auch die große Stele von Metera, ein
einzigartiges Zeugnis aus vorchristlicher Zeit in Eritrea, hieß es
weiter. Die etwa fünf Meter große Steinsäule war bei der Besetzung
des afrikanischen Landes durch das benachbarte Äthiopien schwer
beschädigt worden. In einer Fallstudie zu Berlin warnt der Report vor
dem drohenden Verfall der Elisabethkirche von Karl-Friedrich Schinkel
und vor der Beschädigung des Tiergartens durch Großveranstaltungen.
Zu den positiven Beispielen zählt ICOMOS den Wiederaufbau der 1999
von einem Erdbeben zerstörten Kathedrale von Puebla in Mexiko. Dem
1965 gegründeten UNESCO-Rat für Denkmalpflege gehören
Nationalkomitees in 110 Ländern an. (APA/dpa)