Deutschland
Überschwemmungen werden zunehmend zum Wahlkampfthema
Streit über politische Folgen des Hochwassers in Deutschland
Berlin - Die verheerenden Überschwemmungen in
Deutschland werden zunehmend für den Wahlkampf instrumentalisiert und
haben unter den Parteien einen Streit über den Kurs in der
Umweltpolitik ausgelöst. Politiker von SPD und Grünen traten am
Mittwoch angesichts der Katastrophe für eine Reduktion von
klimaschädlichen Abgasen ein und verteidigten die rot-grüne
Ökosteuer. Gleichzeitig griffen sie die Klimapolitik der Union scharf
an. CDU/CSU und FDP warfen dagegen der Koalition vor, Wahlkampf auf
dem Rücken der Hochwasser-Opfer zu betreiben. Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) mahnte, das Thema jetzt nicht in die
Wahlauseinandersetzung zu ziehen. Umweltminister Jürgen Trittin Grüne (Grüne) sagte am Mittwoch,
viele Wissenschaftler betrachteten die derzeitigen Unwetter als Folge
der Klimaerwärmung. Deswegen sei es notwendig, in noch stärkerem Maße
den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern. "Es gibt eine
Mitverantwortung des Menschen dafür, dass wir ein Hochwasser haben,
das wir im Sommer noch nicht gemessen haben", sagte Trittin vor
Journalisten in Berlin. Die Bundesregierung wolle ihre
Klimaschutz-Politik fortsetzen und ihre Vorreiterrolle bei der
Senkung des Schadstoffausstoßes in Europa ausbauen. Die Union wolle
die Regelungen, die zum Vorsprung Deutschlands geführt hätten,
dagegen wieder rückgängig machen. "Dies alles wird bei der Wahl zu
entscheiden sein." Der Grüne Umweltexperte Reinhard Loske forderte in
der "Frankfurter Rundschau", in den nächsten 20 Jahren die Preise für
Benzin und Strom um jährlich drei Prozent anzuheben. Der Kanzler hat
allerdings eine Fortführung der Ökosteuer über das Jahr 2003 hinaus
schon abgelehnt.
SPD-Fraktionsvize Michael Müller warf der Union Versagen in der
Klimaschutzpolitik vor: "Herr Stoiber hat noch nie einen
interessanten und weiter führenden Gedanken zum Umweltschutz
geäußert." Die Union will im Falle eines Wahlsieges die nächste Stufe
der Ökosteuer aussetzen.
Union gegen Ökosteuer
CDU-Chefin Angela Merkel verteidigte die Entscheidung von
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) , keinen Umweltexperten
in sein so genanntes Kompetenzteam zu berufen. Mit ihr als ehemaliger
Bundesumweltministerin sei das Thema "Chefsache", sagte sie im
Deutschlandradio Berlin. Die Union lehne die rot-grüne Ökosteuer ab,
weil sie keine ökologischen Lenkungseffekte zeige. Sie fügte aber
hinzu: "Der wichtigste Punkt in den nächsten Jahren wird das
Energiesparen sein."
Grünen-Chef Fritz Kuhn erklärte, die Äußerungen Merkels seien an
"Zynismus kaum noch zu überbieten". Die Union habe in den vergangenen
Jahren sämtliche Klimaschutzprojekte der Bundesregierung abgelehnt.
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte, der Union fehle nicht
nur das Personal im Umweltbereich, sondern auch das Konzept. "Dass
Frau Merkel jetzt Herrn Stoiber zum Chef in Sachen Umweltschutz
erklärt, ist kabarettreif."
Schröder mahnt
CSU-Generalsekretär Thomas Goppel warf der Koalition vor, die
Flutkatastrophe im Wahlkampf zu missbrauchen. "SPD und Grüne
betreiben Wahlkampf auf dem Rücken der Hochwasseropfer", kritisierte
er. FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte: "Am Wahlkampf auf
gebrochenen Deichen werde ich mich nicht beteiligen." Gleichzeitig
kritisierte er aber die Ökosteuer als "umweltschädlich, unsozial und
arbeitsplatzfeindlich".
Kanzler Schröder mahnte, die politische Debatte auf die Hilfe für
die Opfer zu konzentrieren. ""In dieser Situation, wo es schlicht
darum geht, Hilfe zu leisten, möchte ich keine Debatte darum führen,
was mittel- und langfristig zu tun sein wird." Diese Frage müsse aber
sicher debattiert werden. (APA/Reuters)