Netzpolitik
Industrie: Der Tauschrausch vermiest die Gewinne
Musikindustrie nimmt bei Popkomm Gratis-Tauschbörsen ins Visier - Tonträgerabsatz brach im 1.Halbjahr um Prozent ein
Napster ist schon lange tot und auch andere
Musiktauschbörsen landen in den USA immer öfter vor dem Kadi. Dennoch
öffnen jeden Tag in Tauschbörsen weltweit Millionen Computerbesitzer ihre
Festplatten für den kostenlosen privaten Tausch von Musik und Filmen.
Die Musikindustrie, die sich nun sieben Tage lang beim
Popkomm-Festival in Köln trifft, setzt zum Gegenschlag an. Denn der
Tauschrausch im Internet verhagelt zumindest einem Teil der Branche
die Bilanzen: Durch Raubkopien brach der Tonträgerabsatz laut
Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft
allein in den ersten
sechs Monaten dieses Jahres um rund 10 Prozent auf 97 Millionen Stück
ein.
"How to make Money?"
Da mit Verboten im weltweiten Datennetz nur wenig auszurichten
ist, gehen Musikverleger nun in die Offensive. "How to make Money?"
heißt die Perspektive, unter der das Internet als Vertriebsweg
erschlossen werden soll. Im Focus der Unterhaltungsbranche steht das
neue Breitband-Handynetz UMTS. Das mobile Internet soll sich zum
Geldesel für jene Unternehmen entwickeln, die mit Verwertungsrechten
Geld machen.
eDonkey und Co.
Vorerst treiben ein elektronischer Esel und ähnliche Angebote den
Rechteverwertern jedoch Sorgenfalten auf die Stirn.
eDonkey
hat sich
zu einem der beliebtesten Gratis-Dienste entwickelt, die der
US-Musikindustrie ein Dorn im Auge sind. Immer mehr Tauschbörsen
geben bei Klagen der Rechteinhaber klein bei. Jüngst schloss der
Tauschdienst Audiogalaxy sein Internet-Portal für immer. Auch die
Betreiber von Kazaa, Grokster und Morpheus stehen vor dem Kadi.
Dezentrale Netzwerken
Allerdings wird es immer schwerer, dem Tausch Einhalt zu gebieten,
denn längst sind die Tauschbörsen nicht mehr zentral auf einem Server
organisiert, den man einfach abstellen könnte.
Peer-to-Peer-Tauschbörsen (P2P) arbeiten in dezentralen Netzwerken,
also einem lockeren Zusammenschluss privater Rechner, die stets nur
temporär miteinander verbunden sind. Sie dienen gleichzeitig als
Server und Client, bieten also Dateien zum Upload an und saugen zur
gleichen Zeit Dateien von anderen Rechnern im Verbund.
Fehlerhafte Dateien
Rechtsanwälte als klassische Waffe der Musikindustrie kapitulieren
vor den Millionen von Raubkopierern in der ganzen Welt. Statt dessen
schlagen die Rechteinhaber die Schwarzen Schafe mit ihren eigenen
Waffen. Gezielt werden Dateien in das Tauschsystem eingeschleust, die
Fehler aufweisen. Sollte die Strategie der Musikindustrie aufgehen,
dann werden früher oder später immer mehr Tauschbörsianer entnervt
aufgeben, da sie zu oft auf zunächst nicht erkennbaren Datenschrott
treffen. Freilich: Längst hat die Szene Gegenmittel entwickelt und
kann anhand einer Prüfsumme defekte Kopien erkennen.
Legale Downloads
Zugleich starten die ersten Anbieter mit dem legalen
Online-Verkauf von Musikstücken. Allerdings lassen sich die bezahlten
Musiktitel oft nur wenige Tage und einzig auf jenem PC nutzen, auf
den sie der Nutzer heruntergeladen hat. Dennoch will die
Unterhaltungsindustrie künftig verstärkt auf die gewachsenen
Nutzergewohnheiten eingehen und Musik online und kostenpflichtig
anbieten. Für dieses Angebot spricht die technisch mögliche Sicherung
einer stets optimalen Qualität der zum Download bereitstehenden, mehr
als hunderttausend Musikstücke.
"Angezogene Handbremse"
Allerdings fahren Dienste wie eMusic, PressPlay oder MusicNet mit
angezogener Handbremse. Alle Download-Files sind durch ein digitales
Rechtemanagement (DRM) geschützt und lassen sich nur auf einem
einzigen PC und zudem oft nur für eine begrenzte Nutzungszeit
abspielen. Das Kopieren, Mailen oder Brennen eines solchen Soundfiles
scheitert gänzlich. Rechnet man die Kosten von etwa einem Euro je
Titel, die Onlinekosten und die begrenzte Nutzungsmöglichkeit
zusammen, ist eine gekaufte CD oft die günstigere Option. Dort ist
nicht nur die Musikqualität besser, auch der Kopierschutz stellt kaum
noch ein ernsthaftes Handicap dar.(apa)