Wien
Regierungspaket kann "nur Ersthilfe" sein
Selbst die Regierungsspitze glaubt nicht, mit dem "eigenen" Hochwasser-Hilfspaket von einer Milliarde Euro auszukommen
Wien - Wer schnell hilft, hilft doppelt, wiederholen Regierungsvertreter und Landeshauptleute gebetsmühlenartig. Doch das Hilfspaket der öffentlichen Hand wird nicht ausreichen, die entstandenen Hochwasserschäden zu begleichen. Es kann sich nur um eine erste, rasche Hilfe handeln, sagen Experten. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer sagte: "Wir müssen ehrlich sein, die Milliarde Euro wird nicht reichen." Nicht nur Privathäuser, Infrastruktur und Betriebe seien zerstört, auch Umweltfolgeschäden oder eine steigende Arbeitslosigkeit in einzelnen Regionen gelte es zu berücksichtigen. Das Hilfspaket habe zwar in etwa das Volumen einer halben durchschnittlichen Steuerreform, doch es "wird noch mehr notwendig sein", so die Vizekanzlerin.Auch Kanzler Wolfgang Schüssel gestand ein, wenn auch verklausulierter, dass die Hilfe der öffentlichen Hand, rund 650 Mio. Euro kommen vom Bund, rund 250 Mio. Euro von Nieder- und Oberösterreich, nicht reichen werde. Schüssel: "Wir brauchen die persönliche Hilfe jedes Einzelnen. Es ist nicht machbar, dass die gesamte Hilfe vom Staat kommt." Zuvor hatte Infrastrukturminister Mathias Reichhold bezweifelt, dass die öffentlichen Unterstützungen ausreichen werden. Insbesondere die Summe von 100 Mio. Euro aus dem Wirtschaftsministerium für notleidende Betriebe erscheint Reichhold zu gering.
Friedrich Schneider, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Linz, sagte zum STANDARD: "Das ist fürs Erste schon ein beachtliches Paket, aber damit wird man bei weitem nicht auskommen. Das kann nur eine Ersthilfe sein." Der Konjunkturexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), Ewald Walterskirchen, meinte: "Das Paket ist schon mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Entscheidend wird jetzt aber sein, in welcher Form und wie rasch Haushalte zu günstigen Krediten kommen." Dann könnte es für die Bauwirtschaft wirklich zu einem Auftragsboom kommen, so Walterskirchen.
Große Bandbreite
Die Bandbreite der letzten Schadensschätzungen bewegt sich zwischen zwei und fünf Milliarden Euro. An das "optimistische" Szenario glauben die Volkswirte der Bank Austria. Auf das pessimistische Szenario kommt man, wenn man einzelne Bundesländer-Schätzungen addiert: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll nannte ein bis zwei Milliarden Euro an Schäden für sein Bundesland. Ökonom Schneider beziffert den Schaden für Oberösterreich, wo wesentlich mehr Industriebetriebe in Mitleidenschaft gezogen wurden als in Niederösterreich, mit zwei bis drei Milliarden Euro. Und Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer nannte dem STANDARD eine Schadens-summe von 500 bis 800 Millionen Euro für Salzburg.
Mödlhammer, der mit diesem "ersten Paket zufrieden ist", möchte "ernsthafte Gesamtschadensschätzungen" abwarten, bis nächste Schritte erfolgen sollten. Klar sei allerdings, dass die Regierung nicht unbegrenzt Kredite aufnehmen könne. Deshalb kann er sich nach wie vor eine Solidaritätsabgabe oder eine eigene Staatsanleihe für die Hochwasser-Hilfe vorstellen. Am Montag beraten Regierung und Landeshauptleute sowie Gemeinde- und Städtebund über die Organisation weiterer Hilfsmaßnahmen.
Von den jetzt zur Verfügung gestellten 650 Mio. Euro des Bundes fließen 500 Mio. Euro in die Aufstockung des Katastrophenfonds. Je die Hälfte dieser Mittel steht für individuelle und Infrastrukturschäden zur Verfügung. Zusätzliche 100 Mio. Euro bekommen notleidende Betriebe an Darlehenszuschüssen. 50 Mio. Euro sind noch im Umwelt-und Wasserwirtschaftsfonds aufgefunden worden.
Die restlichen Mittel auf die Milliarde Euro steuern die Länder bei, beziehungsweise ergeben sich aus Steueranreizen, die gesetzt wurden.
So können geschädigte Personen ihre Investitionen beim Wiederaufbau als außergewöhnliche Belastung in voller Höhe steuerlich geltend machen. Ebenso wird bei der Wiederinbetriebnahme von Produktionsanlagen heuer und 2003 in voller Investitionshöhe eine Sonderabschreibung möglich sein. (Michael Bachner/DER STAnDARD, Printausgabe, 16.8.2002)