So wie Tausende Bürger in den Überschwemmungsgebieten in Ostösterreich, so steht auch die schwarz-blaue Koalitionsregierung vor den Trümmern ihrer Haushaltsfinanzen.Der entscheidende Unterschied ist: Die Leute in den ohnehin nicht gerade wohlhabenden Landregionen Ober- und Niederösterreichs können nichts dafür, wenn es ihnen an die Existenz geht. Gegen Naturkatastrophen dieser Art helfen selbst gute Versicherungspolizzen nichts, die immer nur den geringeren Teil des entstandenen Schadens abdecken. Die Regierung hingegen ist für die miserable Lage der Staatsfinanzen in großem Ausmaß selbst verantwortlich. Wenn sie jetzt gezwungen ist, wegen der Hilfe für die Flutopfer gleich die wichtigsten Eckpunkte ihrer Reformvorhaben aufzugeben - und das ein Jahr vor den Wahlen -, so liegt das vor allem an schlechter praktischer Politik. Das Hochwasser jedenfalls kann nicht maßgeblich daran schuld sein, dass zum Beispiel die Steuerreform um mindestens ein, wenn nicht zwei Jahre verschoben werden muss. Das zeigen schon einige nackte Basiszahlen. Jene 650 Millionen Euro für das Hilfspaket, die die Regierung direkt bereitstellen will, sind viel Geld. Aber das ist relativ wenig im Vergleich zu jenen zwei Milliarden Euro, die als Volumen einer (jährlichen!) Entlastung für die seit dem Jahr 2000 üppig geschröpften Steuerzahler versprochen wurden. Die der Wirtschaft zugesagte Entlastung von Lohnnebenkosten in Höhe von einigen Hundert Millionen Euro ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Wenn die Koalition nun so tut, als sei ihr Programm wegen des Dauerregens den Bach hinuntergegangen, so ist das bestenfalls eine Achtelwahrheit. Hier wird gerade ein großes Ablenkungsmanöver vorgeführt, wenn von "Wiederaufbau" die Rede ist, so als hätte Österreich gerade einen Krieg hinter sich gebracht. Dass absolut "alles" der Hilfe für die Flutopfer untergeordnet werden müsse, wie die Vizekanzlerin erklärte, ist eine krasse Übertreibung, wie ein kühler Wirtschaftsforscher vorrechnet: Die Zahl der durch das Hochwasser beschädigten Häuser und Wohnungen entspricht ein paar Zehntelprozentpunkten aller heimischen Behausungen. Daher ist es nur noch zynisch, wenn FPÖ-Generalsekretär Karl Schweitzer vorrechnet, mit dem beschlossenen Hilfspaket sei die Steuerreform "nicht verschoben, sondern mindestens im halben Volumen vorgezogen". Für wie blöd halten Politiker, denen das Wasser budgetär gesehen bis zum Hals steht, die Menschen eigentlich? Dass der Katastrophenfonds, der bei der Lawinenkatastrophe von Galtür Anfang 2000 abgeschöpft wurde, nicht ausreichend dotiert ist, hat sich die Regierung selbst zuzuschreiben. Deshalb müssen jetzt Kredite, sprich Neuverschuldung, her. Viel vom "Familiensilber" der Republik wurde zuletzt für das viel zitierte Nulldefizit schon verbraucht. Daher verlangt FP-Klubchef Peter Westenthaler jetzt auch, dass sogar Entwicklungshilfegelder in die Flutgebiete gelenkt werden sollen. Solche Forderungen zeugen von Panikpolitik. Auf der Strecke bleibt dabei jene echte Reformpolitik, die Österreich in Wahrheit anstelle perfekt verkaufter Budgetkosmetik dringend gebraucht hätte. Und bald noch viel dringender brauchen wird, will man die Herausforderungen von EU-Erweiterung und Strukturwandel erfolgreich bestehen. Das heißt vor allem: stärkere ausgabenseitige Sanierung, eine weitere Pensionsreform, intelligente Einschnitte im Sozial- und Gesundheitssystem. Damit wird sich die nächste Koalition beschäftigen müssen. Von der jetzigen ist das nicht mehr zu erwarten. Die ist - wie alle Parteien - mit der Flut voll auf Wahlkampf und Sympathiefang gegangen. Nicht auszuschließen, dass nun nicht wie versprochen erst in einem Jahr, sondern sehr bald gewählt wird. Denn Wahlkampfzuckerln hat die Regierung keine mehr im Köcher. Das Einzige, was ihr bleibt, ist, auf der Solidaritätswelle zu reiten. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.8.2002)